piwik no script img

Dornier-Prozeß: Der Richter drückt aufs Tempo

Ausgang des Stammheimer Prozesses gegen Luitgard Hornstein ist noch ungewiß/ Verdrehten LKA-Beamte wichtige Aussagen?  ■ Von Edgar Neumann

Stuttgart (taz) — „Haben Sie noch weitere Beweisanträge“, will der Vorsitzende Richter des 4. Strafsenats des OLG Stuttgart, Ulricht Berroth, mehrmals an diesem Verhandlungstag von den Verteidigern der Angeklagten Luitgard Hornstein wissen. Unübersehbar drückt Berroth aufs Tempo, um die Stammheimer Prozeßneuauflage gegen die 27jährige Düsseldorfer Studentin wegen des 1986 verübten Bombenanschlags auf die Firma Dornier zu Ende zu bringen. Mehr als einmal weist er die Karlsruher Bundesanwälte darauf hin, daß sie sich auf ihr Plädoyer vorbereiten sollen.

Das Gericht lehnte die von den Verteidigern beantragte Haftentlassung der Angeklagten Hornstein nach Verbüßung ihrer vierjährigen Freiheitsstrafe wegen Mitgliedschaft in der RAF mit dem Hinweis auf den weiterhin dringenden Tatverdacht in Sachen Dornier-Anschlag bisher ab. Auch die Beiziehung der Akten des Landeskriminalamtes (LKA) über die Besuchsüberwachung der Gefangenen Erik Prauß und Andrea Sievering hält das Gericht nicht für notwendig.

In sogenannten Besuchsprotokollen wurde beispielsweise Erik Prauß, mit Sätzen wie „...als ich damals in der RAF kämpfte...“ oder „...möglicherweise bin ich für Dornier verantwortlich...“ zitiert. Prauß, den die Bundesanwaltschaft wie Luitgard Hornstein zu einer kämpfenden Einheit zählt, die den Anschlag auf Dornier verübt habe, bestritt in seiner Zeugenaussage, jemals gegenüber Besuchern solches gesagt zu haben. Tatsächlich, so stellte Prauß im Gerichtssaal klar, habe der LKA-Beamte seine im Konjunktiv formulierte Aussage verdreht. Er habe gesagt, er sei selbst dann als politischer Gefangener anzusehen, wenn er für den Dornier-Anschlag verantwortlich gewesen wäre. Zwar behaupteten die LKA-Beamten während ihrer Vernehmung, sie hätten solche Gespräche „wortwörtlich“ protokolliert, doch tatsächlich haben sie die Aussagen nachweislich stets nur zusammengefaßt.

Prauß und Sievering hatten eine Mitgliedschaft in der RAF oder die Beteiligung an dem Sprengstoffanschlag von sich gewiesen. Daß es bei den überwachten Gesprächen auch um ganz andere Dinge ging, die der jeweilige LKA-Beamte nicht notiert habe, wollen Hornsteins Anwälte nun mit einem neuen Beweisantrag belegen. So soll der Planungsdezernent der Stadt Düsseldorf als Zeuge über das von der nordrhein-westfälischen Landeshauptstadt geplante Milliardenprojekt Internationales Handelszentrum (IHZ) aussagen. Er soll, so die Absicht der Verteidiger, zu den Gegnern dieses Bauvorhabens auch die Bewohner der besetzten Häuser in der Kiefernstraße, in denen auch Luitgard Hornstein, Erik Prauß und Andrea Sievering gelebt hatten, gezählt haben. Dementsprechend sei zwischen Besuchern und Gefangenen auch über Aktionen gegen das IHZ gesprochen worden. Daß dies von den LKA-Überwachern nicht erwähnt wurde, zeigte ihre Fixierung und eingeschränkte Wahrnehmung auf Gesprächsthemen, die mit RAF oder Terrorismus in Verbindung stünden. Auf diese Weise, nehmen die Anwälte an, seien dann auch die in sich widersprüchlichen Besuchsprotokolle zustandegekommen. Ob der Senat diesem Beweisantrag nachkommt, wird sich frühestens beim nächsten Prozeßtag am kommenden Dienstag zeigen. Bis dahin geht das Rätselraten über die richterlichen Gedankengänge weiter.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen