: Aachen — Zentrum des fundamentalistischen Islams?
Grüne Stadtratsfraktion erhebt schwere Vorwürfe gegen den geplanten Bau eines der größten Islamischen Zentren in Mitteleuropa/ „Religiöse und gewalttätige politische Ziele werden vermischt“/ SPD unterstützt Moschee-Bau, CDU lehnt ab ■ Von Bernd Müllender
Aachen (taz) — „Wenn unsere Informationen stimmen, und daran habe ich keinen Zweifel“, schimpft Günter Schabram, Fraktionsgeschäftsführer der Aachener Grünen, „dann haben uns die Sprecher des Islamischen Zentrums Aachen, die immer so moderat, so liberal, höflich und unterwürfig auftreten, belogen und betrogen, wo sie nur konnten“. Anlaß der Attacken ist der geplante Neubaukomplex einer der größten mitteleuropäischen Moscheen samt diverser Schulungseinrichtungen (Koranschulen, Fernuniversität) in Aachen, 30 bis 60 Millionen Mark teuer, der seit Wochen innerhalb der Parteien heftig umstritten ist. Die Grünen behaupten, die Riesenmoschee solle weniger dem stillen Gebet dienen, sondern sei Tarnadresse für islamisch-fundamentalistische Kräfte, Oparationsbasis der radikalen kompromißlosen Muslim-Bruderschaften. Die Muslim-Bruderschaften arbeiten multinational, sind sunnitischen Ursprungs, straff organisiert, werden aus großzügigen Spenden reicher Araber finanziert und verfolgen das Ziel einer theokratischen Staats- und Gesellschftsdoktrin, unter kompromißloser Auslegung des Koran. Vorgestern abend beschlossen die Aachener Grünen, den eigenen zustimmenden Fraktionsbeschluß zum Moschee- Neubau, ohne den im rot-grünen Aachen nichts geht, wieder zu kippen: „Politisch nicht verantwortbar“. Die Grünen stützen ihre spektakulären Vorwürfe auf drei voneinander unabhängige Quellen: Zum einen auf Aussagen von diversen ausländischen Aachener Bürgern, die teils jahrelang in der kleinen bereits bestehenden „Bilal- Moschee“ mitgearbeitet haben. Diese bezeichnen Aachen als „Aktivitätszentrum für die Gefolgsleute von Khomeini“. Ein Syrer berichtete, als er in die Heimat reiste, und als Wohnort Aachen angab, wurde er auf der Stelle verhaftet und verhört. Dies gehe allen Aachener Syrern so. Zum zweiten berufen sich die Grünen auf ein bislang unveröffentlichtes Hintergrund-Interview, das der ARD- Nahost-Korrespondent Marcel Pott kürzlich mit einem jordanischen Minister geführt hat. Darin heißt es: „Sie (Herr Pott) als Deutscher sollten besser als jeder andere wissen, daß Aachen das internationale Hauptquartier der fundamentalistischen Bewegung ist. Der Großteil der Planungen und Finanzierungen wird allem Anschein nach von dort erledigt.“ Pott über seinen Gesprächspartner: „Dieser Minister ist ein sehr informierter Mann, und über jeden Zweifel erhaben.“ Vorsitzender des Islamischen Zentrums Aachen (IZA) ist Prof. I. El-Attar (eigene Berufsbezeichnung: „Islamgelehrter“). Er war einst syrischer Minister, dann Gründer und Führer der syrischen Gesellschaft der Muslimbrüder und ging 1964 nach Deutschland ins Exil. 1981 wurde auf ihn in Aachen ein Attentat verübt. Seine Frau wurde dabei erschossen, er überlebte, ist seitdem untergetaucht und steuert die Aktivitäten des IZA aus dem Untergrund. Trotz dieser seit langem bekannten Tatsachen präsentierte sich das IZA stets anders: Man stehe für „Unabhängigkeit und Mäßigung“, bemühe sich „ein konstruktives und friedfertiges Klima zu schaffen“ und trete „für den multikulturellen Austausch“ ein. IZA-Sprecher Nadeem Elyas sagt, man arbeite seit mittlerweile 25 Jahren in Aachen ohne Klagen. „Wie lange müssen wir noch hier sein, bis man uns glaubt?“, fragt er. Indes gibt Elyas zu, insbesondere in Syrien, Saudi-Arabien und den Emiraten reiche Geschäftsleute angegangen zu haben, um die immensen Baukosten zu finanzieren. Tatsache ist auch, daß sich die türkischen Moslems in Aachen vom IZA nicht repräsentiert fühlen, und vor zwei Jahren in einer alten Tankstelle einen eigenen kleinen Betraum gebaut haben, um der Bilal-Moschee fernbleiben zu können. Den Verdacht, vor der eigenen Haustür das Headquarter für islamische Gewalt und Terror zu haben, bekamen die Aachener Grünen nun — als dritte Quelle — von sehr unverfänglicher Seite bestätigt. Das Landesinnenministerium teilt mit, Ziel von El-Attars Organisation, die sich selbst „islamische Avantgarden“ nenne, sei „primär der gewaltsame Sturz des Regimes in Syrien“. Im IZA hätten darüberhinaus „fanatische Organisationen“ ihren Sitz. Grünen-Parteisprecher Hubertus Grass: „Wir können als politische Partei nicht nachweisen, daß dieses oder jenes Attentat hier vorbereitet wurde, aber wir wehren uns dagegen, daß hier, um es vorsichtig auszudrücken, religiöse und gewalttätige politische Ziele vermischt werden.“ Kein Zweifel: Das Bauvorhaben wird abgeschmettert. Spannend wird jetzt sein, wie neben dem IZA die anderen politischen Parteien reagieren. Die SPD hat des Moschee-Neubau bislang vorbehaltlos unterstützt — nicht zuletzt, weil Aachens Parteichef Dieter Schinzel gleichzeitig 2. Vorsitzender der deutsch-arabischen Gesellschaft ist. Die CDU lehnt das Projekt ohnehin ab, allerdings mehr aus diffusen Ängsten. El-Attar ist für die CDU nachwievor “ein ehrenwerter Vorsitzender“. Nur Kurt Malangre, der Ex- Oberbürgermeister, hatte zufällig eine passende Formulierung gewählt. „Im Islamzentrum liegt noch eine Menge Sprengstoff drin.“ Wörtlich hatte er das wohl nicht gemeint.
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