Bund will Daumen auf Akten behalten

■ DDR-Briefentwurf zum Umgang mit den Stasi-Akten/ Danach soll das Aufsichtsgremium erweitert werden/ Akten sollen kein „normales Arbeitsmittel“ für bundesdeutsche Geheimdienste werden

Berlin (taz/afp) — Die Stasi-Akten sollen auch weiterhin in die Verfügungsgewalt des Bundes kommen. Wie DDR-Verhandlungsführer Günther Krause (CDU) gestern nach einem Treffen mit Bundesinnenminister Schäuble (CDU) und Kanzleramtsminister Seiters in Ost-Berlin sagte, soll nach den vehementen Protesten in der DDR nun der Beirat des Akten-Sonderbeauftragten zusätzlich um fünf Vertreter der DDR-Länder erweitert werden.

Nahezu einmütig hatten dagegen alle Fraktionen der Volkskammer gefordert, die Akten unter die ausschließliche Hoheit der fünf Länder der ehemaligen DDR zu stellen. Damit sollte insbesondere der Zugriff von Geheimdiensten auf das Stasi- Material verhindert werden. Die Formel, mit der Krause gestern am späten Nachmittag bei den BesetzerInnen des Stasi-Hauptquartiers in der Normannenstraße hausieren wollte, lautet: Sichergestellt werde, daß Daten „nicht als normales Arbeitsmittel“ für Nachrichtendienste verfügbar sein dürften. Lediglich bei Straftaten wie denen der terroristischen Rote- Armee-Fraktion solle ein Einblick möglich sein.

Der CDU-Politiker offerierte den Besetzern, die seit einer Woche für die Herausgabe ihrer Akten demonstrieren, mit ihm über die Formulierung des Briefs an die Bundesregierung zu verhandeln. Alle Forderungen der Besetzer könnten jedoch nicht aufgenommen werden, weil sie weit außerhalb dessen lägen, was der Einigungsvertrag regeln könne. Die BesetzerInnen erklärten in einer ersten Reaktion, daß bei diesem Verhandlungsergebnis die Besetzung der Normannenstraße wohl nicht abgebrochen werde.

Das zentrale Stasi-Archiv soll dem Briefentwurf zufolge in Ost-Berlin verbleiben und die dazugehörigen Akten weiterhin dezentral in den Bezirken „endgelagert“ werden. Auch ein Auskunftsrecht für betroffene Bürger ist geplant. Da die Akten aber ineinander verwoben seien und es nicht möglich sei, Material über eine Person von Informationen über Dritte zu trennen, müsse hier noch erarbeitet werden, wie der Datenschutz gewährleistet werden könne. Auf keinen Fall könnten Akten ausgehändigt werden, wie dies die Besetzer des Stasi-Archivs fordern.

Die SPD-Fraktion in der Ostberliner Stadtverordnentenversammlung hat sich unterdessen mit den Forderungen der Besetzer solidarisiert. Dazu wollte die Fraktion gestern am Nachmittag in dem besetzten Gebäude tagen. In einer Erklärung heißt es, die größte Altlast der DDR-Vergangenheit seien die sechs Millionen Akten. Für deren Entsorgung dürften nur diejenigen sorgen, die maßgeblich davon betroffen sind. Eine Vernichtung der Akten sei jedoch keine Lösung, da sie unbedingt zur Aufarbeitung der Geschichte und für noch anhängige Rehabilitationsverfahren gebraucht würden. wg.