: Von Film-Crews umstellt
■ Zwei NRW-Medienprojekte in Köln stehen unter Spannung
Johannes Rau hat es immer wieder versichert: Nordrhein-Westfalen soll Medienland werden. Beim Umbau des bis in die achtziger Jahre vorwiegend altindustriell strukturierten Bundeslandes spielt die Rundfunk- und Fernsehstadt Köln eine Schlüsselrolle. Hier soll ab 1993 im MediaPark, einem eigenen Medienstadtteil, exemplarisch vorgeführt werden, wie postindustrielle Produktion auf der Basis telekommunikativ vernetzter Arbeitsplätze mit einem Umfeld aus Kunst und Kultur zusammenwachsen kann. Und mit der Neugründung einer Kunsthochschule für Medien in Köln als zweitem strategischen Projekt der Landesplanung in Köln soll der Versuch unternommen werden, Techniken elektronischer Bilderzeugung zum Bestandteil künstlerischer Praxis zu machen. Beide Projekte sind in die Gänge gekommen, aber auch zwei ihrer Protagonisten ins Gerede.
Von Bedeutung für die NRW-Medienpolitik ist sicherlich der Wechsel von Wolf Schöde aus dem NRW- Wirtschaftsministerium zur Treuhand AG in Berlin. Schöde wirkte bislang für die Landesregierung als nimmermüder Medienland-Manager, der als bisheriger stellvertretender Aufsichtsratsvorsitzender der MadiaPark Entwicklungsgesellschaft (MPK) dafür sorgte, daß Kölner Lokalpolitikern beim zweiten Jahrtausenprojekt — nach dem Dom — nicht der Atem ausging. Er war es auch, der 1988 den Münchner Filmkaufmann Bernd Schaefers, vormals Anteilseigner der Filmgesellschaft Neue Constantin, mit der Aufgabe betraute, als MPK-Geschäftsführer die rheinische Groß-Immobilie zu vermarkten. Schaefers, der an der MPK selbst mit 25,5 % beteiligt ist, schaffte es, zwei Versicherungen, einen Immobilienhändler und die Neue Constantin als MediaPark-Investoren an Land zu ziehen.
Seit Anfang Juli — kurz vor Schröders Abgang — ist der schillernde Schaefers nicht mehr MPK- Geschäftsführer. In einer neuen Funktion als MPK-„Beauftragter“ organisiert er nun das erste „Filmvestival NRW Köln“ — für das „Filmland im Aufbruch“ (Rau) ein Hoffnungsschimmer, zumal es für die lang angekündigte NRW-Filmstiftung immer noch keinen Haushaltstitel gibt. Ab dem 26.September werden in Haupt- und Nebenprogrammen rund 120 Filme und — möglichst life — auch Maximilian Schell, Boris Jelzin und Björn Engholm präsentiert. Bei so viel Glanz und Glamour wundert es nicht, wenn der Kölner Stadtrat — ohne Kenntnis des Festival-Konzepts — zu den erwarteten Gesamtkosten von 3,5 Millionen Mark eine Million freimachte. Die vom Land erhofften Zuweisungen für das Medienereignis — die Rede ist von 2,5 Millionen Mark — blieben hingegen aus.
In der Düsseldorfer Staatskanzlei, wo die NRW-Medienpolitik koordiniert wird, erfährt man den Grund: Hans Gerd Prodoehl, in der Staatskanzlei für Medienwirtschaft und Filmförderung zuständiger Oberregierungsrat, besteht darauf, daß es nie eine Zusage für Landeszuschüsse gegeben habe. Prodoehl: „Das Festival ist allein Sache der MPK.“ Während nun Schaefers in der neuen Funktion des Beauftragten der MediaPark Köln Entwicklungsgesellschaft (MPK) versucht, für das Filmfest Sponsoren aufzutun, bereitet sich der MPK-Aufsichtsrat — ohne Schöde — darauf vor, das Kölner Ereignis mit Geldern abzusichern, die eigentlich für den Bau des MediaParks bestimmt sind.
In kleinem Rahmen
Daß die Schwierigkeiten von Nordrhein-Westfalen, ein Medienland zu werden, weniger personeller als vor allem konzeptioneller Natur sind, zeigen Vorgänge um die Kunsthochschule für Medien. Eigentlich hätte deren Eröffnung am 15.Oktober in Köln zu einem weiteren glanzvollen Medienereignis werden sollen. Daß es nun eine Eröffnung im kleinen Rahmen bleibt (Rau hat bereits abgesagt), liegt besonders an Verstimmungen zwischen dem federführenden Düsseldorfer Wissenschaftsministerium und dem Gründungsbeauftragten Manfred Eisenbeis. Zum Teil liegt es auch wiederum am Geld. Für die Medienhochschule, für die auf mehrere Jahre gestreckte Gesamtinvestitionen von über 50 Mio. Mark veranschlagt werden, sind im laufenden NRW-Haushalt 6,2 Mio. etatisiert worden. NRW-Finanzminister Heinz Schleußer ging bislang davon aus, daß der Bund 50 Prozent von der Teilsumme von 2,1 Mio. übernehmen werde — zu diesem Prozentsatz fördert der Bund nach dem Hochschulbauförderungsgesetz Neuinvestitionen und Erstausstattungen. Die für die Auszahlung der Mittel erforderliche Aufnahme der Neugründung in das Hochschulverzeichnis, über die der in Köln ansässige Wissenschaftsrat beschließt, ist allerdings bis heute noch nicht erfolgt, weil der für die Kunsthochschule für Medien zuständige Fachausschuß „Probleme hatte, Merkmale zu finden, das das grundlegende Neue der Kölner Planung eindeutig machten“, so Reimers, Ausschußmitglied und Professor für Kommunikations- und Medienwissenschaft an der Münchener Hochschule für Fernsehen und Film. Praktisch bedeutet das, daß das Land die Bundesfinanzierung für 1990 verpaßt hat. Nachdem Schleußer dies erfahren hatte, sperrte er die in 1990 noch nicht verausgabten Gelder. Für die Ministerin für Wissenschaft und Forschung, Anke Brunn, begannen schwierige Verhandlungen. Sie erreichte schließlich, daß ihr Kollege zumindest zwei Millionen Mark freigab, von denen allerdings 1,5 Millionen mit einer Verpflichtungserklärung belegt sind. Im Brunn-Ministerium ist man nicht gerade glücklich über die finanziellen und argumentativen Engpässe, durch die das avancierte Projekt im Startjahr hindurch muß. Dabei hatte die Ministerin als Hochschul-Initiatorin schon bei der öffentlichen Vorstellung von Eisenbeis im Spätherbst 1988 betont, das Projekt sei „tatsächlich eine vollständige Neugründung“ und vor allem „eine Hochschule ohne Vorbild“.
Die Qualitätskriterien, nach denen die Prüfer des Wissenschaftsrates die Förderungswürdigkeit der Hochschule beurteilen, sind bei der Kölner Planung durchaus thematisiert, aber offenbar zu früh abgehakt worden. Während Eisenbeis vor Ort inzwischen eine Hochschulstruktur vorweisen kann, die bis in den Stundenplan hinein ausgefeilt ist, fragt der Wissenschaftsrat erneut nach dem überregionalen Bedarf an einer solchen Medien-Ausbildungsstätte gerade in Köln. Anders als noch vor zwei Jahren, als die Domstadt das einzige bundesdeutsche Zentrum international vernetzter neumedialer Kunstausbildung zu werden schien, konkurriert man heute mit Neugründungen etwa in Karlsruhe oder Babelsberg, die den staatlichen Prüfern einen Vergleich wert sind — auch von dort erwartet der Wissenschaftsrat Anträge auf Bundesmittel.
Die für die Rundfunk- und Fernsehstadt Köln wie für das Medienland NRW interessanteste Fragestellung des Wissenschaftsrates war, ob man in der Kölner Struktur zu viele film- und fernsehwissenschaftliche Aspekte untergebracht habe, „die bereits an bestehenden Hochschulen auf sehr unterschiedliche Art überzeugend vertreten sind“, so Reimers. So könne etwa das „Münchener Modell“, bei dem seit der Gründung der dortigen Medienhochschule auf enge Kooperation mit dem Bayerischen Rundfunk, dem ZDF und den Studios der Bavaria gesetzt wird, nicht einfach für Köln reproduziert werden. Tatsächlich spiegelt sich Eisenbeis' Gratwanderung zwischen den Interessenlagen des ortsansässigen WDR und nordrhein- westfälischen Filmproduzenten an einer produktionsnahen Medienausbildung und neuen medialen Experimentierfeldern in der Aufteilung der Kölner Schwerpunktbereiche wie auch in der Palette bisher erfolgter Berufungen.
Zunächst hatte Eisenbeis mit Rückendeckung des Wissenschaftsministeriums die Zusammenfassung von „Film“ und „Fernsehen“ zu einem einzigen Hauptbereich durchgesetzt — gegen den Widerstand von Film- und Fernsehleuten im Gründungsbeirat der Hochschule. Ihnen blieb es dann weitgehend überlassen, mit entsprechenden Personalvorschlägen für eine Repräsentanz ihrer Medienbereiche im künftigen Kollegium zu sorgen. Einen Ruf erhielt so etwa Talkmaster Alfred Biolek, der sich auch als Beiratsmitglied engagiert hat. Während es Eisenbeis intern gelang, Abstand zu den klassischen Medien zu demonstrieren, rücken ihm draußen die Leute vom Film auf die Pelle. Ob dem Gründungsbeauftragten in dieser Konstellation noch ein guter Hochschul- Start gelingen kann, wird sich bald erweisen. Peter Hanemann
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