Deutsch-Sowjetischer Vertrag: Die Nachkriegszeit per Vertrag beendet
■ Am 21. Juni 1941 marschierten deutsche Truppen in die Sowjetunion ein. 49 Jahre danach haben die beiden Staaten gestern vertraglich die Nachkriegszeit beendet. Eine umfassende wirtschaftliche und politische Kooperation soll Europa friedlich verändern.
„Jetzt können wir mit Recht sagen, daß die Nachkriegszeit zu Ende ist.“ Mit diesen Worten würdigte Bundesaußenminister Genscher den „umfassenden Vertrag über gute Nachbarschaft, Partnerschaft und Zusammenarbeit“, den die Bundesrepublik und die Sowjetunion am Donnerstag in Moskau im Gästehaus des Außenministeriums paraphiert haben.
Schewardnadse zog in seiner Ansprache eine Linie bis zu den Beziehungen Deutschlands mit dem vorrevolutionären Rußland. Der Text knüpfe an die besten Traditionen der Beziehungen „zwischen dem russischen Staat und der Sowjetunion mit Deutschland an“. Genscher wollte lieber an die Zukunft als an die Unterstützung des absolutistischen Herrschaftsapparates durch das Deutsche Reich erinnern und sagte, der Vertrag führe in ein „von Verantwortung, Vertrauen und Kooperation bestimmtes 21. Jahrhundert“.
Wie im deutschen Einigungsvertrag fällt im deutsch-sowjetischen Vertrag eine vielsagende Leerstelle auf: der deutsche Überfall auf die Sowjetunion 1941, der nach der militärischen Niederlage des Nationalsozialismus zur Teilung Deutschlands führte, ist mit keinem Wort erwähnt. Es gibt nur den Hinweis auf die Opfer, denen de Maizière und Genscher in Moskau mit ihrer Kranzniederlegung eine Ehre erwiesen. Gleichzeitig formuliert der Vertragstext den Wunsch, mit der nur zwischen den Zeilen erwähnten Vergangenheit „endgültig abzuschließen“.
Eine der Voraussetzungen der Einigung in Moskau war die westdeutsche Finanzhilfe. Ein Abkommen zur wirtschaftlichen Kooperation soll nach dem 3. Oktober die gesamtdeutsche Regierung abschließen. Bei der Hilfe für den Abzug der sowjetischen Truppen von deutschem Boden einigten sich die Partner wie gute Kaufleute: Die SU hatte 16 Milliarden gefordert, die BRD 6 Milliarden angeboten, in der Mitte liegen die nun vereinbarten 12 Milliarden. 7,8 Milliarden davon sind für den Wohnungsbau vorgesehen, drei Milliarden Mark für den Aufenthalt der Truppen in der DDR und eine Milliarde für die Transportkosten bei der Rückführung, die bis Ende 1994 abgeschlossen sein soll. 200 Millionen will Bonn für die Umschulung der UdSSR-Soldaten bereitstellen.
Gorbatschow zeigte sich überzeugt, daß die Deutschen in den in der DDR stationierten Sowjetsoldaten „Vertreter des Friedens“ sehen. K.W.
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