Geschichtsmuseum eiligst entsorgt

■ Museum für Deutsche Geschichte (Ost) existiert nicht mehr/ Deutsches Historisches Museum (West) übernimmt Haus, Bestände und Personal

Groß-Berlin. Wo Ulbricht war, soll Kohl werden — noch bevor die DDR aufgehört hat zu existieren, ist gestern ihr Geschichtsmuseum im Zeughaus Unter den Linden kurzerhand liquidiert worden. Das von Walter Ulbricht zwecks DDR-Identitätsproduktion installierte und 1953 mit der Ausstellung Karl Marx — Leben und Werk eröffnete Museum für Deutsche Geschichte fiel nunmehr dem 1987 von Helmut Kohl gegengegründeten Deutschen Historischen Museum anheim, das seinerseits zur Zeit mit Bismarck, Preußen, Deutschland und Europa zum Thema Nationalbewußtsein debütiert.

Wie Ende August vom DDR-Ministerrat beschlossen, sollte das »sozialistische Geschichtsmuseum« zum 15. September »seine Tätigkeit als eine selbständige staatliche Einrichtung einstellen« und an das Ministerium für Bildung und Wissenschaft übergeben werden. Dieses wiederum sollte spätestens zum 3. Oktober den Barockbau mitsamt darin tätigen Menschen und lagernden Objekten an das noch immer auf den Bau seines Wunschdomizils am Reichstag hoffende Deutsche Historische Museum »zur Nutzung« weiterreichen. Eilig zu verhandeln war dann gestern zwischen DDR-Bildungsminister Hans—Joachim Meyer und dem prompt kommissarisch eingesetzten Westdirektor Christoph Stölzl, wie das kleine das große Museum am günstigsten und am schnellsten schlucken könnte. Während im Ostmuseum noch 180 Personen beschäftigt sind, hat das Westmuseum zur Zeit nur 30 Mitarbeiter. Nach dem Willen des Ministerrats sollen die »Dienstkräfte« »entsprechend den Notwendigkeiten der Aufgabenerfüllung des Deutschen Historischen Museums in angemessenem Umfang« übernommen werden. Unterrichtung oder gar Beteiligung der Mitarbeiter an der Entscheidung schloß dies offenbar nicht ein. Im Museum wußte gestern nachmittag jedenfalls niemand genau, wes Herren Dienstkraft man nun sei und wann das Museum nun an wen zu welchen Bedingungen übergeben worden war.

Noch im März hatten Stölzl und der jetzt vorzeitig in den Ruhestand verfrachtete Ostdirektor Wolfgang Herbst in einer gemeinsamen Pressekonferenz Koexistenz und Kooperation beschworen. Allein, der DDR- Ministerrat dachte gar nicht — wie in ähnlich Fällen von Doppelinstitutionen im Kulturbereich — an Vereinigung und wollte die einstige SED- Propagandaanstalt lieber gleich vollständig an die Westler entsorgen. Entgegen anders lautenden Meldungen will aber auch West-Stölzl die ständige Ausstellung, die das konsequente Streben der Menschheit hin zur Gründung der DDR seit der Steinzeit veranschaulicht, vorerst nicht schließen. grr