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Diestel die Stasi-Lizenz entzogen

■ Nach Lobeshymnen entzieht de Maizière seinem Innenminister die Lizenz für die Stasi-Auflösung

Berlin (taz) — Das stinkt zum Himmel: Keine 24 Stunden, nachdem sich Ministerpräsident de Maizière am Donnerstag wie ein Tiger vor seinen angeschlagenen Innenminister Diestel (CDU) geworfen hatte, entzog er Diestel gestern nachmittag die Lizenz für die Stasi-Auflösung. Nun soll Staatssekretär Eberhard Stief, jahrzehntelang Funktionär der Blockflöte NDPD und in den letzten Tagen ebenfalls kritisiert wegen Behinderung der aufklärungsarbeit, die Stasi „zerschlagen“. Neben Umweltminister Steinberg (CDU) sollen drei weitere Minister auf ihre Stasi- Vergangenheit überprüft werden. Das erklärte de Maizière gestern nach Gesprächen mit dem Ausschuß zur Überprüfung der Abgeordneten und mit Steinberg. In der vorausgegangenen, chaotischen Nachtsitzung hatte de Maizière noch von „Kampagnen“ gegen Diestel gesprochen. Das Parlament hatte dem Minister mehrheitlich das Vertrauen ausgesprochen — entgegen der „einhelligen Ansicht aller Kollegen, die auf der Stasi-Strecke an der Aufklärung arbeiten und meinen, Diestel habe seine Qualifikation nicht bewiesen“, wie der Vorsitzende des parlamentarischen Sonderausschußes, Jochen Gauck, sagte. In einer geheimen Abstimmung war plötzlich das Stimmenverhältnis zugunsten von Diestel umgekippt, nachdem sich zuvor in einer offenen „Probeabstimmung“ die PDS fast geschlossen für Diestels Sturz ausgesprochen hatte. Die Partei schwieg zu ihrem Verhalten.

Diestels letzte Äußerung vor de Maizières Hämmerchen: Die Vorgehensweise des Ex-Regierungsbevollmächtigten Werner Fischer — er hatte Steinbergs Namen genannt — sei „unmoralisch, geradezu ekelhaft“. Ob die CDU Brandenburg nun ihren Spitzenkandidaten feuert, blieb gestern unklar. Eindeutig beendet indes sind einige politische Karrieren in der SPD. Nach Angaben von Fraktionschef Thierse wird ein SPDler mit Stasi-Vergangenheit sofort die Fraktion verlassen, zwei weitere demnächst, der vierte auf der Liste sei Opfer der Stasi. Die anderen, ebenfalls jetzt über Verdachtsmomente informierten Fraktionsvorsitzenden schwiegen. Insgesamt stehen auf der Liste mit 68 Parlamentariern mit unterschiedlicher Stasi- Historie 7 Sozis und nach Informationen der taz 12 PDS-Genossen.

Wenn vermutlich der Staatssekretär Stief nicht auf der Liste steht, so hat er doch auch eine famose Biographie mit den funktionärstypischen zwei Promotionen: 1970 wissenschaftlicher Mitarbeiter beim FDGB-Vorstand, seit 1978 NDPD- Hauptausschuß, Januar 1990 neuer NDPD-Vorstand, im Februar Geschäftsführer der NDPD und nach deren Zusammenschluß mit der LDPD Geschäftsführer im Bund Freier Demokraten. Heute hat er ein FDP-Parteibuch. SEITE 2 UND SEITE 5

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