: Die Predigt übern Gartenzaun
■ Pastor Daugelat erklärte seinen Konfirmanden in der Domkappelle einige basics
„Geh aus mein Herz und suche Freud, in dieser lieben Sommerzeit“. Dieses Loblied auf die Schönheit der Schöpfung stimmte gleich zum Beginn des Gottesdienstes auf das Grundthema der Predigt des Dompredigers Daugelat ein. Seine Komfirmanden hätten gerade jene Stufe erreicht, an der die grundsätzlichen Fragen des „Woher und Wohin“ anständen, und seine Ausführungen waren dann auch sehr auf die Jugendlichen zugeschnitten.
Die Schöpfungsgeschichte im zweiten Kapitel des ersten Buch Moses stand auf dem Lehrplan, und zu allererst waren die scheinbaren Widersprüche zur modernen Wissenschaft dran: Das wird wohl schon alles so stimmen, mit dem Urknall, der Entwicklung der Arten usw. Aber weil die Schreiber der Bibel dies nicht wissen konnten, mußten sie auf die Bilder aus ihrer Erkenntnisswelt zurückgreifen. In diesem Sinne relativierte Daugelat die Worte der heiligen Schrift, die eher als Gleichniss denn als Tatsachenbericht zu verstehen seien. Und über dieses Gleichnis vom Menschen, der in einen Garten gesetzt wurde, um als Gärtner die Welt zu hegen und zu pflegen, belehrte der Prediger dann weiter. Der Garten Eden war nicht etwa ein Schlaraffenland, in dem Milch und Honig floßen — statt dessen sollte der Mensch dort arbeiten: die Natur ordnen und sich so ihre Früchte verdienen. Er wurde nicht überfordert, aber lebte auch nicht müßig und unnütz.
Mit der Vertreibung aus dem Paradies kamen dann die Widersprüche, und das „tätiges Leben im Garten“ wurde zum utopischen Ziel — Hunger, Not und Krieg lassen an der Versprechung Gottes zweifeln. Und dieser Gegensatz ist für Daugelat heute so aktuell wie damals; die Genesis ist deshalb „keine Geschichte aus grauer Vorzeit !“
Jeder hat Stimmungen, ist mal stark und dann wieder voller Angst, beglückt oder rastlos. Jeder trägt ein Bild vom Menschen tief in seinem Herzen, und das ist je nach seinen Erfahrungen mal dunkel oder mal hell. Die Einen sind schier verzeifelt, die Anderen empfinden es als „schön zu leben unter dem Angebot Gottes“.
All das erzählte Daugelat mit einfachen Worten: nicht zu salbungsvoll, und er versuchte auch nicht, sich bei den Jugendlichen durch vermeintlich peppiges Vokabular oder moderne Beispiele anzubiedern. Und wenn sich einer schon so bemüht, die Grundzüge des Glaubens zu vermitteln, dann ist es auch nicht verwunderlich, wenn er einmal die ganze Gemeinde als „Liebe Konfirmanden“ anspricht. Und ganz im Vertrauen einige Male mußte ich mich sehr zusammennehmen, um nicht die Hand zu heben, mit dem Finger zu schnippen und „Ja aber, Herr Pastor ...“ zu rufen.
Wilfried Hippen
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen