: Empfehlenswert bis wirr
■ Drei Radwanderführer zu Irland unterschiedlicher Qualität
Drei Radwanderführer zu Irland unterschiedlichster Qualität
VONRALFSOTSCHECK
Irlandreisende können zwischen drei Radwanderführern in deutscher Sprache wählen. Deren Qualität ist jedoch so unterschiedlich, daß die Wahl leicht fällt. Irland per Rad von Wolfgang Kettler ist ein handliches Buch, das 117 Etappen beschreibt und Nordirland dabei nicht ausspart. Die Routen sind so angelegt, daß die RadlerInnen ihr Tagespensum selbst zusammenstellen können, da die Gesamtstrecke auch für Eddie Merckx kaum in einem Urlaub zu schaffen ist. Kurzinformationen über Sehenswürdigkeiten, Unterkunft, Fahrradläden, Verkehrsverbindungen und Waschsalons ergänzen die Tourenvorschläge.
Der allgemeine Teil enthält auf 90 Seiten viel Wissenswertes über Land und Leute sowie ein Fahrradteile- Vokabular. Ein irisch-englisches Ortsnamen-Verzeichnis und ein Register runden das sehr empfehlenswerte Buch ab. Man merkt, daß der Autor die beschriebenen Strecken mit dem Rad selbst abgefahren ist.
Ganz anders dagegen Radwandern in Irland von Christa Gausden und Nicholas Crane. Bei dem Buch handelt es sich um eine Teilübersetzung des CTC Route Guide durch Großbritannien und Irland. Schon die Einführung besteht lediglich aus Platitüden: „Im Südwesten verbindet Kerry das Fruchtbare mit dem Ungezähmten, im Westen hat man das zusätzliche Vergnügen des nahen Meeres häufig in Sichtweite.“ Dublin, Belfast, Cork und Limerick sind angeblich die einzigen größeren Städte. „Die anderen Städte sind weder zahlreich noch groß und dienen nur als notwendige Verkaufsplätze.“ Beim Überschreiten der inneririschen Grenze heißt es aufgepaßt. Die Nebenstraßen an der Grenze sind angeblich „mit Spikes versehen“.
Die Beschreibung der 76 Etappen ist nichts weiter als eine nutzlose Aneinanderreihung von Ortsnamen, die man genausogut einer Landkarte entnehmen kann. Die kurzen Hinweise zu den Orten sind völlig wertlos. So erfährt man über Doorus: „Schöne Aussichten von hier.“ Oder über Moyard: „Pfeiler.“ Aha. Die allgemeinen Tips sind von ähnlichem Kaliber: „Die Ausschilderung ist teilweise etwas verwirrend, da Schilder mitunter fehlen.“ Das leuchtet ein. Noch verwirrender wird es jedoch, wenn man sich auf das Buch verläßt. Ortsnamen stimmen oft genug nicht, ganze Landstriche werden in andere Gegenden verlegt.
Das Autorenteam schafft es, 9.000 Jahre irische Geschichte auf einer Seite zusammenzufassen. In den letzten 20 Jahren ist außer dem EG-Beitritt und dem anglo-irischen Abkommen offenbar nichts passiert. Die stellenweise groteske Übersetzung von Dietlind Broders gibt dem Buch den Rest. „Wenn Sie in Irland etwas besichtigen, sollten Sie sich keinen Zwang antun.“ Was mag damit gemeint sein? Eine Aufforderung zum Plündern?
Wer hätte gedacht, daß es noch schlimmer kommen könnte? Unbekanntes Irland von Rene Reibetanz verspricht „Abenteuer, Tips, Routen“. Doch davon keine Spur. Das Buch erinnert an einen Schüleraufsatz: Mein schönstes Ferienerlebnis. Der Autor läßt kein Klischee aus. „Der Ire“ ist trinkfest, freundlich, schläft lange und hat viel Zeit. Und alles ist „urwüchsig“. Da eine bekannte englische Fahrrad-Firma den Drahtesel gestiftet hat, werden die Vorzüge des „Mountain Bike“ penetrant angepriesen. Ob die Firma auch den Druck des Buches gesponsert hat?
Seine geographischen Erkenntnisse teilt Reibetanz gerne mit den LeserInnen: „Als ich am nächsten Morgen aus dem Fenster schaue, traue ich meinen Augen kaum. Da hinten steht tatsächlich ein riesenhafter Berg.“ Doch der Weg hinauf ist anstrengend: „Das Blut tost durch die Adern, die Schläfen hämmern kurz und kräftig. Tief und ruhig atmen ist jetzt wichtig.“ Genauso erging es mir bei der Lektüre dieses Buches.
Auf Seite 74 bringt der Autor es auf den Nenner: „Mein Kopf ist voll wirrer Gedanken.“ Doch dann wendet er sich wieder dem Torf zu („Im Torf leben wenig Menschen“), der es ihm offenbar angetan hat: „Es ist schon erstaunlich, wie oft so ein Torfstück angefaßt werden muß, bevor es im Ofen oder Kamin landet.“ Er hat recht. Das unsägliche „Erlebnis-Handbuch“ ereilte dieses Schicksal wesentlich schneller.
Christa Gausden, Nicholas Crane: Radwandern in Irland. Rutsker Verlag, Kiel 1986. 106 Seiten.
Wolfgang Kettler: Irland per Rad. Kettler-Verlag, Berlin 1989, 3. Auflage, 318 Seiten.
Rene Reibetanz: Unbekanntes Irland · Abenteuer, Tips, Routen. Pietsch Verlag, Stuttgart 1990, 231 Seiten.
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