: Lafontaine fordert in Moskau mehr Hilfe für die Sowjetunion
Moskau (afp) — SPD-Kanzlerkandidat Oskar Lafontaine will bei einem Wahlsieg im Dezember den Ausbau der deutsch-sowjetischen Wirtschaftsbeziehungen zügig fördern. Bei seinem dreitägigen Moskau-Besuch warnte der saarländische Ministerpräsident am Samstag davor, angesichts der deutschen Einheit den Handel mit den osteuropäischen Staaten verkümmern zu lassen. Die schnelle Einführung der D-Mark in der DDR habe den Handel mit den anderen RGW-Staaten bereits belastet.
Als eine der ersten Maßnahmen schlug Lafontaine Ausbildungsprogramme für die über 360.000 noch in der DDR stationierten sowjetischen Soldaten vor. Sie sollten von deutschen Experten für Zivilberufe umgeschult werden. Im Rahmen der jüngsten Finanzhilfen für die Sowjetunion hat Bonn für diese Aufgabe bisher 200 Millionen Mark zur Verfügung gestellt. Durch Umschulungsprogramme könne der UdSSR auf ihrem schwierigen Weg zur Marktwirtschaft geholfen werden, sagte der SPD-Vize. Nach dem Gespräch mit Michail Gorbatschow gleich nach seiner Ankunft kam Lafontaine am Samstag mit dem Wirtschaftsberater des sowjetischen Staats- und Parteichefs, Stanislaw Schatalin, dem Deutschland-Experten Walentin Falin und dem als Reformer geltenden Moskauer Oberbürgermeister Gawril Popow zusammen. Im Mittelpunkt der Treffen stand die Wirtschaftsreform in der Sowjetunion. Gorbatschow setze große Hoffnung auf die Bereitschaft der Deutschen, den „gewaltigen Reformprozeß“ zu unterstützen, betonte Lafontaine.
Die Koalition habe auf außenpolitischem Gebiet bereits wichtige Forderungen der SPD übernommen, betonte Lafontaine. Als Beispiele nannte er die Anerkennung der polnischen Westgrenze, den Truppenabbau der Bundeswehr sowie die Schaffung einer atomwaffenfreien Zone mitten in Europa. Nach dem Abbau der Atomwaffen aus der heutigen DDR müßten die Atomwaffen auch aus der Bundesrepublik abgezogen werden. Allein der Abzug der Chemiewaffen reiche nicht aus. Ebenso wie die anderen osteuropäischen Staaten solle auch die UdSSR in die Europäische Gemeinschaft einbezogen werden.
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