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Cossiga denunziert Mafia-Gegner

■ Statt Kampf gegen Mafia Kampf gegen Mafia-Bekämpfer

Rom (taz) — Mit einer geradezu unflätigen Beschimpfung heizte Italiens Staatspräsident Cossiga drei Tage nach der Ermordung des achten sizilianischen Richters seit Ende der 70er Jahre das alte Ritual an, bei dem alle gegen alle kämpfen und so jede Aussicht auf einen ernsthaften Widerstand gegen die immer weiter fortschreitenden kriminellen Kräfte schwindet.

Cossiga legte sich mit dem von 1985 bis Anfang 1990 amtierenden ersten — und bisher einzigen — antimafiosen Bürgermeister Palermos, Leoluca Orlando an. Orlando, 44, hatte in mehreren Interviews die mangelnde Unterstützung des Staates für den Kampf gegen den „Kraken“ beklagt und statt dessen eine von den verantwortlichen Politikern ausgerufene „Kultur des Ertragens und des Schweigens“ festgestellt. „Orlando“, tadelte Francesco Cossiga vor Journalisten den vor einem halben Jahr auf Betreiben des schillerden DC- Regierungschefs Andreotti gestürzten Ex-Bürgermeister, „ist ein braver Junge, ein ehrenhafter Junge, der aber nicht kapiert hat, welchen Schaden er mit seinen unmäßigen Äußerungen der Einheit des Antimafiakampfes zugefügt hat.“ Er mutmaßte, daß „hinter Orlando ein völlig außer Rand und Band geratener Priester“ stehe, den „seine Oberen mal zur Ordnung rufen sollten“ — klare Anspielung auf die Jesuiten des palermitanischen Instituts „Pedro Arrupe“, das mit Orlando eine Reinigung der christdemokratischen Partei von mafioser Verfilzung versucht hatte. Welche „Einheit“ im Antimafiakampf Cossiga eingentlich gemeint haben könnte, bleibt ein Rätsel. Denn alle politischen, exekutiven und juristischen Kräfte sind unmittelbar nach dem Mord mit Beschuldigungen übereinander hergefallen.

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