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Kopie killt Kunst

■ INTERPAk!-Künstler und Sponsoren im Bahnhof Westend

Manchmal dauert es bei mir etwas länger, bis der Groschen fällt. In der Eingangshalle des Bahnhofs Westend beginnt die Ausstellung der Internationalen Potsdamer Akademie INTERPAk! mit den Wasserbildern des Österreichers Christoph Steffner: künstlich erzeugte sprudelnde Strudel werden aus einem Wasserbecken auf eine Wand projiziert. Daneben steigen in einer gläsernen Kugel lilafarbene Blitze auf und ab wie bei der Erweckung von Frankensteins Gesellenstück zum künstlichen Leben. Sollte man dies nicht dem gleichen, kosmischen Visionen zugeneigten Kunst- Ingenieur zuschreiben wie die Sprudelbilder? Ebenso nahm ich kunstgeübt die Zigarettenwerbung mit lila durchzucktem Nachthimmel hinter der Kugel für ein Ready-made. Bis es mir dämmerte: Dies war kein Zitat der populären Bildsprache der Werbung als Bestandteil eines Kunstwerks, dies war schlicht die Werbung eines der Sponsoren. Dessen Designer wollte sich auch nicht mehr mit der zweidimensionalen Plakatwand begnügen und baute gewissermaßen als Werbeinstallation die Blitzekugel auf. Nicht der Künstler, sondern der Werbestratege führt hier die Austauschbarkeit von Kunst und Werbung vor.

Das Produkt eines weiteren Sponsoren aus der Computerbranche ist gleich mehrfach zum integralen Bestandteil, Arbeitsmittel und Thema einer Mixed-media-Skulptur von Ralf Lücke geworden. Bruchlos gehen Form und Inhalt in der permanenten Selbstanzeige der Einheit von Kunst und Ware auf. Lücke schlägt in der Installation Electricity kills the cat einen Bogen von der archaischen Kunst und Zeichensprache zu technischen Kodierungen und digitalen Auflösungen des computererzeugten Bildes. Im Zentrum hängt eine große gelbe Kopie der Venus von Willendorf über einer Spirale aus alten Zeichen, geprägt in einen Velourteppichboden. Auf den Monitoren werden der voluminiöse Körper der Venus, zerlegt als stereometrisches Modell, und das Mosaik der Zeichen zum formalen Spielmaterial einer sich ständig wiederholenden Animation. Von den kultischen Kunstwerken, ihrer Bedeutung und Aura ist nichts mehr übriggeblieben als die Errechenbarkeit ihrer Form. Die Kette der elektronischen Impulse, in die sie übersetzt werden, ist ein allumfassendes Medium: Mit ihnen werden ebenso die Schreie einer Katze auf den anderen Monitoren erzeugt. Das Medium bleibt indifferent gegenüber den transportierten Inhalten. Lückes Werk täuscht eine große Komplexität von historischen, kulturellen und technischen Bezügen vor, die sich letztlich aber alle in Flimmern auflösen.

Angesichts der engen Durchdringung von Kunst und Kommerz in der Inszenierung von INTERPAk! scheint der Autonomieanspruch der Gruppe eine fragwürdige Selbstverkennung. Die jungen Künstler, die sich aus Österreich, Schweden, Italien, Japan, Holland, Norwegen und der DDR auf Einladung von PAk!, der Berliner Keimzelle des Projekts, zusammengefunden haben, wollen laut Katalog ihre Arbeiten »selbstbestimmt vermitteln« und die Kontrolle über Präsentation und Vermarktung in den Händen behalten. Unabhängig von Galerien und Kunstvermittlern, hoffen sie, daß damit »die notwendige Autonomie gewährleistet sei, Kunstwerke zur ungefilterten Nahtstelle zwischen Künstlern und Publikum zu machen«. Entweder haben sie bei dieser Formulierung die Interessen der Sponsoren als Filter, der den Blick auf die Kunst prägt, schlicht übersehen, oder sie scheinen ihr Publikum mit potentiellen Käufern und Sponsoren gleichzusetzen.

Doch nun von den materiellen Quellen der Kunst zu den geistigen: Andreas Baumeier, der 1986 zusammen mit Gerhard Haug in Berlin die Kunstinitiative PAk! gegründet hat, formuliert in seiner Bodeninstallation Mann mit Hut aus 1.210 Blumentöpfen mit verschiedenfarbiger Erde eine unmißverständliche Hommage an Joseph Beuys. Doch die Hommage, gemeint als Zeugnis der Auseinandersetzung, gerät zur Blamage. Die Bodenarbeit stellt eine ähnlich intensive Fleißarbeit dar, als würde man das Porträt des sich neuerdings wieder der Aktualität erfreuenden Ludwig Erhard aus Kronkorken und Wurstzipfeln gestalten; vergleichbar tiefschürfend im assoziativen Urschlamm ist die Idee, Beuys, dem Bäumepflanzer, ein wenig Blumentopferde zuzuordnen. Es fehlt nur noch die Besamung mit Kresse, Schnittlauch und Petersilie, um den Übervater im Kräuterbeet zu begraben.

Jeder der INTERPAk!-Teilnehmer konnte einen eigenen Raum im Bahnhof gestalten; erst bei dessen Einrichtung lernten sich die meisten von ihnen kennen. Bezüge zwischen ihren Arbeiten sind zufällig und generationsbedingt; sie herauszufinden oder erst zu konstruieren bleibt Aufgabe des Betrachters.

Marius van Workum aus Holland wartet mit einem Kontrastprogramm aufdringlicher und spröder Materialien auf. In einem Wandfeld über der Schwingtür zu den Gleisen blinken grüne Lichter um ein knalliges Gemälde und erwecken die Aufmerksamkeit mit den Mitteln einer Kirmesbude. Davor hat er aus Metall, Holzlatten und elektrischen Leitungen Modelle konstruiert vom grauen Charme und der Übersehbarkeit von Trafokästen. Ihnen ist alles Sensationelle ausgetrieben. Während van Workum den Kunstobjekten jede Verführung zum Ansehen verweigert, nutzt Roberto Ruggiu die verführerische Materialität industrieller Ready-mades, von Zeitungen und marmornen Fensterbänken, die er in endloser Wiederholung des Kunstgriffs Duchamps, zur Serie gereiht, zum Kunstobjekt erklärt.

Hage Wiktorsson, Ryosuke Kanuma und Galina Manikova nehmen die Fotografie als Ausgangspunkt einer Auseinandersetzung mit den Differenzen von Wahrnehmung und Erinnerung, erlebtem und medial vermitteltem Bild. Zwischen all diesen Reisen durch die synthetischen Systeme der Bilderzeugung nehmen sich die Fotografin Christiane Eisler und der Maler Walter Eisler aus der DDR, die sich mit der Bewältigung jüngster Geschichte abrackern, wie die armen Verwandten aus. Christiane Eisler hat in ihrer Fotoserie Abbau eines Syndroms, man ahnt es schon, die Zerstörung der Mauer fotografiert, vor Ort und vor dem Bildschirm. Walter Eisler spielt mit Leipziger Heftigkeit und original handgemachten Pinselstrichen das Thema des Machtwechsels an einem Schachbrettkönig durch. Um ihre Bilder nicht platt an den Wänden zu verteilen, sondern auch zur künstlerischen Installation zu schreiten, hängte Christiane ihre Fotografien quer zur Längsachse des Raums, während Walter aus Bildern und Hölzern ein Gerüst konstruierte.

Die aufgeblähte Multimedialität von INTERPAk! hat die Situation einer unguten Konkurrenz geschaffen, die den Maler schließlich auf der Strecke bleiben läßt; der Gebrauch der Technik scheint weniger ein selbstverständlicher Umgang mit den Produktionstechniken und Bildverwertungsangeboten der Zeit als vielmehr ein Modernität erheischender Zwang.

Allein in Gerhard Haugs Lichtbildraum Walking through the looking glass geht das alte Medium der Malerei mit der Technik der Projektion eine harmonische Einheit ein. Pinselstriche und Farbflüsse einer informellen Malerei erinnern in der vergrößerten Projektion an die Wand, gebrochen durch Lochscheiben und Spiegel, bewegt durch schwingendes Plexiglas, an das Licht, das durch windbewegtes Laub fällt. Die immateriellen Bilder deuten die Reise durch einen Raum an, der wie jener hinter dem Spiegel sichtbar und doch unerreichbar ist. Er ist weder den physikalischen Gesetzen der Natur unterworfen noch ganz der Kunst zugehörig und schwebt zwischen diesen Sphären. Die Projektionen sind zu fragmentarisch, um schon wieder zum Raumdesign zu werden; gleichzeitig ist die eigene Anwesenheit im Lichtbildraum wirklicher als in jedem Cyberspace. Katrin Bettina Müller

INTERPAk! 90 Berlin in der Künstlerwerkstatt im Bahnhof Westend; bis 7. Oktober, Sa. und So. von 11 bis 18 Uhr, Di. bis Fr. von 16 bis 20 Uhr.

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