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Kunstschatz: Back From The U.S.S.R

■ taz-Gespräch mit Viktor Baldin, Ex-Rotarmist, Architekt, der der Bremer Kunsthalle einen Schatz zurückgibt

364 Zeichnungen aus der Bremer Kunsthalle, die seit Kriegsende vermißt wurden, werden in Kürze zurückgegeben. Darunter Originale von Raffael, Veronese, Goya, van Gogh und Dürer. Viktor Baldin hatte sie 1945 als junger Offizier im Schloß Karnzow bei Berlin gefunden und bis heute aufbewahrt. Die taz sprach mit ihm in Bremen, wo er sich zu Vorgesprächen aufhielt.

Wie war das, als sie die Zeichnungen fanden?

Zuerst habe ich vorgeschlagen, daß wir den Fund mit einem Auto abtransportieren. Aber es war ja Krieg und so fanden wir keins, niemand vom Kommandostab konnte mir helfen. Da habe ich die Zeichnungen vom Passepartout gelöst und in meinem Koffer mit nach Rußland genommen. Die ganze Zeit über wollte ich aber, daß sie an ihren alten Platz in der Kunsthalle zurückgelangen.

Ihnen war damals sofort klar, daß es sich um Originale handelte?

Ja, ich wußte sofort, daß die Zeichnungen sehr wertvoll sind. Ich bin Architekt und habe mich mein Leben lang mit Kunst beschäftigt.

Und was wurde aus den Bildern?

Die habe ich sortiert und systematisiert, denn viele von ihnen hatten keine Beschriftung. Man hatte sie ja einfach in dem Keller des Schlosses auf einen Haufen geworfen.

Wieviele Zeichnungen haben Sie denn insgesamt retten können?

364, wobei 52 Bögen beidseitig bemalt sind, zum Beispiel auch bei van Dyck. Offensichtlich wurde damals Papier gespart. Das heißt, in Wirklichkeit waren es 364 plus 52, also 416 Sujets. Natürlich hatte die Bremer Kunsthalle vor allem deutsche Bilder, deshalb sind es auch bei mir 150. Von Dürer allein 28. Von ihm hat die Kunsthalle jetzt nur noch zwei Bögen.

Wie fühlen Sie sich jetzt, wo die Kunstwerke zurückgegeben werden?

Das war immer mein großer Wunsch. Nach 1945 begann aber der kalte Krieg, und die Beziehungen zwischen unserem Land und der BRD waren sehr schlecht, niemand wollte etwas davon hören. Ich habe die Bilder dem Schusev-Museum für Architektur in Moskau übergeben.

Aber ausgestellt wurden sie doch nicht, oder?

Nein, ausgestellt wurden sie nicht. Sie lagen in einem Safe. Und dann wurde ich nach 15 Jahren Direktor dieses Museums. Fünf Jahre lang habe ich sie gehütet, habe in bestimmten Abständen die Temperatur kontrolliert. Das Bewahren ist die eine Sache. Man muß die Kunstwerke aber der Menschheit zurückgeben. Es sind doch schon fast zwei Generationen herangewachsen seit dieser Zeit.

Als ich dann vor einigen Monaten selbst hier in Bremen war, erfuhr ich, daß die Kunsthalle wegen der Sammlung sehr besorgt ist. Ich bin dann hingegangen und habe ihnen gesagt, ihre 364 Zeichnungen seien unversehrt und würden bald übergeben.

Und wie hat die Kunsthalle reagiert?

Man hat sich dort an den Kopf gefaßt und war schrecklich verblüfft. Und dann hat man mich schon vor der offiziellen Übergabe, die steht ja noch aus, nach Bremen eingeladen, um vor Ort alles zu klären.

Sie haben sich an Gorbatschow gewandt. Was hat er Ihnen gesagt?

Er hat mir offiziell am Telefon gesagt, daß die Frage positiv entschieden wird und wir die Bilder übergeben. Jetzt geht es nur noch um alle möglichen Formalitäten. Aber es ist schwer zu sagen, ob die Übergabe am 3. Oktober oder am 1.Dezember sein wird. Genau weiß das keiner.

Wo liegen denn die Schwierigkeiten?

Sie wissen ja sicher, daß während des Krieges viele Kunstwerke aus unserem Land nach Deutschland geschleppt wurden. Unser Land hat schon mehrere Male in der UNESCO und UNO vorgeschlagen, einen Austausch zu machen: Wir geben alles zurück, aber Deutschland muß das gleiche tun und auch die Amerikaner, wenn sie etwas aus Deutschland mitgenommen haben. Bisher war das alles erfolglos. Man hat mir immer gesagt, das Problem sei nur auf globale Weise zu lösen. Ich habe geantwortet, da könne man ja noch Jahrzehnte warten. Fakt ist: Es gibt eine Sammlung, die ich gerettet habe, die Regierung hat damit nichts zu tun gehabt, und jetzt will ich sie zurückgeben. Können Sie denn jetzt als Privatmensch handeln?

Nein, das geht natürlich nicht, denn als ich die Kunstwerke dem Schusev-Museum übergab, habe ich sie sozusagen der Regierung ausgehändigt. Ich bin zwar der Finder, aber nicht der Besitzer. Es wird also einen offiziellen Beschluß der Regierung geben, und dann erfolgt die Übergabe entweder in Moskau in der deutschen Botschaft oder gleich hier in Bremen.

Was würden Sie sagen, wie hoch ist der Gesamtwert?

Was ich weiß, ist, das hat mir Herr Salzmann von der Kunsthalle gesagt, daß er in New York einen Bogen von Dürer für 1,5 Millionen Dollar zurückgekauft hat. Und ich habe 28 Dürer gefunden...

Für Sie spielt Geld gar keine Rolle?

Wie kann man denn ein Gemälde von Raffael in Geld ausdrücken? Heutzutage ist es allerdings üblich, auf Auktionen den Preis von van Gogh in Quadratmillimetern auszudrücken. Ein Millimeter kostet um die 10.000 Dollar. Ich finde, das verstößt gegen die Ethik.

Fragen und Übersetzung: Birgit Ziegenhagen

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