: Wer ist der Herr im Haus der früheren Stasi-Zentrale?
■ David Gill, Referent des Leiters der Stasi-Akten-Behörde, Jochen Gauck, zur BKA-Aktion in der Stasi-Zentrale INTERVIEW
taz: Was wissen Sie über die dubiose BKA-Aktion in der Stasi-Zentrale vergangene Woche?
David Gill: Das BKA ist dort in zwei Fällen tätig gewesen, allerdings nicht zu Recherchen im Archiv. Zum einen hat das BKA im Haus 49 die Büros des MfS-Obersts Bernd Fischer durchsucht. Fischer war Auflöser der früheren „Hauptverwaltung Aufklärung“ (HVA). Zum anderen ist das BKA mit der Innensicherung des Archivs betraut. Wir haben die Verantwortung für die Verwaltung des Archivs. Bei unserer Kontrolle haben wir festgestellt, daß kein Siegel gebrochen, also auch keine Recherchen vorgenommen worden sind.
Warum wurde denn der neue Haus- und Dienstherr in der Normannenstraße, der Leiter der Stasi-Akten-Behörde, Jochen Gauck, nicht informiert?
Das ist eine Frage von Kommunikationsmöglichkeiten. Wir telefonieren hier nur auf einer Leitung. Und es gab anfangs bei BKA und Polizei einige Unsicherheiten über die Zuständigkeiten. Die für die Sicherheit verantwortliche Polizei hat beschlossen, das BKA einzusetzen. Das wurde Herrn Gauck zu spät mitgeteilt.
Die HVA hat bekanntlich auch brisantes Material gesammelt, das so manchen Politiker- oder Beamtensessel in Bonn in einen Schleudersitz verwandeln könnte. Schließen Sie aus, daß das BKA die Gelegenheit nutzte, jene Sprengsätze zu „sichern“?
Das ist so auszuschließen, die Siegel sind unversehrt. Von daher müssen wir davon ausgehen, daß da nichts passiert ist...
...Und die neue Behörde sieht den Fall als aufgeklärt an?
Insoweit, ja.
Wie erklären Sie sich die widersprüchlichen Darstellungen von Bundesanwaltschaft und BKA, die nun offenbar alles zu einer von den Mitgliedern der Mahnwache erfundenen Geschichte herunterspielen?
Ich kenne die Erklärungen von beiden Institutionen nicht. Wenn es um eine Hausdurchsuchung gegangen ist, dann wird damit das Büro Fischer gemeint sein.
Fischer hatte doch wohl den besten Zugang zu den HVA-Akten.
Er hat ja nicht mehr auf den Akten gesessen. Die Akten wurden überführt ins Archiv und dort in einem gesonderten Bereich versiegelt. Bei Herrn Fischer vermutete das BKA meines Erachtens weitere Unterlagen über die Abwicklung der Auflösung, vielleicht auch Aufschlüsse über eine Überleitung von Agenten zu anderen Geheimdiensten. Nur so kann ich mir das Bedürfnis nach einer Durchsuchung erklären. Genaueres bleibt zu prüfen.
Beunruhigt es Sie eigentlich nicht, daß zwei Ihrer Mitarbeiter vergangene Woche vergeblich versucht haben, bei der Ex-HVA und in der Normannenstraße Genaueres über den Verbleib der HVA-Akten in Erfahrung zu bringen, während das BKA nur mit dem Finger schnippen muß, um, legal oder illegal in die Zentrale zu gelangen?
Das ist symptomatisch für die Arbeitsmöglichkeiten des Sonderausschusses zur Kontrolle der Stasi-Auflösung. Es gab immer Restriktionen von seiten der amtlichen Auflöser. Ich hoffe und gehe davon aus, daß das in Zukunft anders sein wird. Die Akten gehören zur Sonderbehörde. Jetzt sind klare Verhältnisse geschaffen, und es ist deutlich, wer der Herr im Haus ist.
Den Titel macht Bonn offenbar Herrn Gauck streitig. Erst schreibt ihm Innenminister Schäuble vor, so die Information der taz, daß er 951 Leute aus dem DDR-Innenministerium einzustellen hat, und dann flitzt das BKA in der Normannenstraße herum, ohne daß Gauck etwas weiß. Nicht gerade ein machtvoller Start der neuen Behörde.
So würde ich es nicht sehen. Die innere und äußere Bewachung der Gebäude ist eine Sache von Innenministerium und Polizei. Die Verwaltung und Bearbeitung der Akten ist eine Sache der Sonderbehörde. Daß die Behörde 951 Mitarbeiter beschäftigen soll, ist festgelegt worden, als die Behörde nicht bestand und Herr Gauck noch gar nicht gewählt war. Das Staatliche Komitee hat einen Vorschlag zur Strukturierung der Behörde erarbeitet, darauf basiert die Zahl 951. Damit können wir leben. Nicht richtig ist es, und das sage ich aufgrund der uns zugeleiteten Unterlagen, daß diese 951 Personen aus dem Bereich des früheren DDR- Innenministeriums kommen. Wir wollen die Bürgerkomitees einbeziehen und Leute aus den unterschiedlichsten Bereichen einsetzen. Interview: Petra Bornhöft
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