Weinerlichkeit und Selbstdarstellung

Ein Bericht von den Münchner Medientagen  ■ Von Tina Bausmann

„Das gibt Ärger“, freute sich meine Freundin, nachdem sie mir die letzten Zeilen der 'Spiegel‘-Geschichte über den Plan des Bonner Innenministeriums, eine Zensurbehörde einzurichten, vorgelesen hatte.

Statt produktiver Auseinandersetzung gab es im Sitzungssaal des Bayerischen Rundfunks Weinerlichkeit und Selbstdarstellung. Den Diskutanten, die die IG-Medien und das Münchner Institut für Medien-Ökologie zum Thema „Fünf Jahre dualer Rundfunk — Fünf Jahre wa(h)re Rundfunkfreiheit“ eingeladen haben, fällt zu den Zensurinitiativen der CDU, die sich für einen Beschwerdeausschuß und zentralen Medienrat stark macht, nichts ein. Resigniert rät der Diskussionsleiter und 'Spiegel‘-Redakteur, Karl Otto Saur, den Medienfachleuten, den Text später doch noch zu lesen. Schließlich habe der Medienrechtsprofessor Reinhart Ricker herausgefunden, daß wenigstens eine öffentlich-rechtliche Anstalt aus dem Sündenpfuhl der deutschen Medien, herausragt: „der Bayerische Rundfunk“. Um den sorgen sich auf der Tribüne unter anderen der Medienjournalist Klaus Ott, der Dortmunder Kommunikationsforscher Horst Röper und der IG-Medien-Vertreter Baumann. Die Leitung hat die sanfte und erkältete freie Journalistin, Christiane Gräfe.

Die Runde scheint depremiert und die Referate über die Frage: „Ist der öffentliche Rundfunk noch zu retten“, hoffnungslos. Klaus Ott, kritischer Beobachter der bayerischen Medien in der 'Süddeutschen Zeitung‘, stürzt sich gleich auf den Schuldigen für die Krise der Öffentlich-Rechtlichen: die privaten Rundfunkanbieter. Von denen weiß er Fürchterliches zu berichten.

Einer der Inhaber des hessischen Kommerzsenders „Ara“ hat vor einem Jahr, erzählt Ott, beinahe eine Volksbank in die Pleite geführt“. „Und so jemandem gibt die Landesmedienzentrale Lizenzen“, ruft er entsetzt aus.

Dann erhält der Dortmunder Kommunikationswissenschaftler Horst Röper das Wort. Er beklagt die zunehmende Konzentration in den Medien und die Tendenz, daß immer mehr private Anbieter in den Großverlagen, wie „Gruner und Jahr“, „Burda“ oder „Bertelsmann“ sitzen. Endlich spricht der Präsident der Bayerischen Landesmedienzentrale, Dr. Wolf Dieter Ring. Er hat vergessen, was er Herrn Ott sagen wollte und hält sich statt dessen an sein Manuskript. Mit dröhnender Stimme weist er alle Vorwürfe mit dem Hinweis zurück, daß „es der Bayerische Rundfunk und die anderen öffentlich-rechtlichen Anstalten mit der Schleichwerbung ja auch nicht so ernst nehmen“. Die Moderatorin erinnert Dr. Ring daran, „doch bitte bei sich selber zu bleiben“.

Endlich meldet sich ein Zuhörer aus dem Saal. Das „Glücksrad“ bei SAT1 entspreche auch nicht den Werberichtlinien, beklagt der junge Mann, „aber niemand tut etwas dagegen“. Der Zuhörer entpuppt sich als der Präsident der Landesmedienzentrale in Rheinland-Pfalz. „Wir haben schon eine Arbeitsgruppe gegründet“, erklärt er stolz.

Die Frage der Moderatorin, warum die Landesmedienzentrale keine Untersuchungen über die Konzentration bei den Privaten mache, kann Dr. Ring noch nicht beantworten, da die Studie der Arbeitsgruppe „Rechts- und Grundsatzangelegenheiten“ noch nicht abgeschlossen sei. Er hat das Konzentrationsproblem an die Länder weitergeleitet, die ihrerseits eine Arbeitsgruppe gebildet haben.

Nach der Mittagspause wäre es fast spannend geworden. Das Podium war mit dem Bundesvorsitzenden der Fachgruppe Rundfunk bei der IG-Medien, Axel Becker, dem Schriftsteller und ehemalige Angehörige des Rundfunkrats des BR, Hans-Peter Bleuel, dem Journalistikprofessor Gerd Kopper und dem Moderator Karl Otto Saur besetzt. Nachdem sich Axel Becker gewünscht hatte, daß die „öffentlich- rechtlichen Rundfunkanstalten doch endlich erkennen sollten, daß ihre Zukunft in der Kreativität ihrer Mitarbeiter liegt“, bat der Schriftsteller Hans-Peter Bleuel um das Mikrophon. „Zunächst ein Planspiel“, verkündete er. Wie wäre es, wenn wir den Rundfunk-Entwurf des Runden Tisches der DDR mit in unsere neue Verfassung nähmen? Erwartungsvoll blickte er auf die Zuhörer. Ein Mitbürger der ehemaligen DDR meldet sich. „Ich bin so dankbar“, sagt er leise, „daß auch mal jemand auf die DDR und unsere Leute zu sprechen kommt, die versucht haben dem Rundfunk noch vor der Vereinigung eine Rechtsgrundlage zu geben.“ Er erhoffe sich eine kritische Berichterstattung aus dem Westen. Ungnädig schüttelt der Schriftsteller seine Locken. Karl Otto Saur versucht zu vermitteln: „Es ist wichtig, daß die ewige Bevormundung durch den Westen aufhört.“

„Wieso sitzt da eigentlich ein Ostdeutscher?“ fragt mich meine Freundin, zieht ihren Mantel an und geht.