: Frau statt Revolution
■ Sonntag 23.15 Uhr, WDR: Uschi Obermaier und Rainer Langhans: „Das schönste Paar der Apo“
„Eine Revolution für eine Frau zu verraten, das ist immer gerechtfertigt“, behauptet Rainer Langhans, Ex-Rebell der Außerparlamentarischen Opposition von 1968 und Ex- Liebhaber des Ex-Fotomodells Uschi Obermaier. Bravo, ein wunderbares Motto. Aber nach 45 Minuten des Dokumentarfilms von Christa Ritter ist zumindest der Rezensentin klar: Weder eine Obermaier noch ein Langhans sind Verrat und dieses gewisse bißchen Gewissensbißchen wert. Was keinesfalls am Film liegt, im Gegenteil: Der zeigt einfach nur, was ist. Sondern an den beiden Hauptfiguren. „Das schönste Paar der Apo“ ist das peinlichste.
Zu Beginn die Bilder der Revolte. Demonstrationen, Tumulte, Rudi Dutschke, die „Kommune 1“ mit der Knutschmund-Uschi und dem Lockenlanghans, der 'Stern‘-Titel von damals: „Das ist die Liebe der Kommune“. Rainer Langhans Stimme formuliert aus dem Off die zentrale These: Die „männlich-aggressive Seite“ der Revolte von damals habe sich „nach außen gewandt und verloren“, aber ihre weibliche Seite, ihre private, gefühlsbetonte, „sie siegt und siegt“.
Ach, wie schön wäre es doch, wie wundertoll. Statt Modell Deutschland das Modell Langmaier-Oberhans. Die Männer alle feinsinnig, fühlvoll, meditativ über den Dingen schwebend, die Frauen alle platzend vor Sinnesfreude mitten in der Öffentlichkeit, in der Macht.
Bloß was für eine Macht!? In Los Angeles bastelt Frau Obermaier heutzutage Schmuck, redet Tand und lacht albern dazu. Ihre Rebellion hat vor allem in der Kleiderkammer stattgefunden. „Ich hatte so'n weißes Hemd an, wo man so die Tittenspitzen durchsah“, erzählt sie über ihre „Liebe auf den ersten Blick“ mit Rainer, „ich glaub, das hat ihn beeindruckt“. Zum Experiment Kommune1 fällt ihr nur ein: „Ich hab' die ganzen Fremdwörter nicht verstanden. Bei den Sitzungen bin ich immer eingeschlafen.“ Eia, popeia, Uschi, schlaf ein, du bleibst ein Leben lang Mädchen-Klein. Für solche Frauen die Revolution verraten? Sie sind der Verrat an unserem Geschlecht.
„Uschi wollte alles haben, und das schien ich damals zu sein“, kommentiert der zwischenzeitlich in diversen Psychosekten verklärte und dennoch nicht minder eitle Papi Langhans. Jetzt nach all den Jahren hat er das weiße Hemd an oder auch gar nichts. Rainer mit Locken, Rainer ohne Locken, Rainer nackt im Sonnenschein. Und schließlich Rainer als Redner der Grünen: „Ich habe versucht, wieder ins Gespräch zu kommen, aber es ging nicht.“ Ein Satz, der alles verrät über denjenigen, der ihn ausspricht. Solche Männer zu verraten, das ist die Revolution.
In einer einzigen Szene nur sind die beiden Narzissen wirklich gut. Zuletzt, auf Uschis Sofa in Los Angeles, blinkern sie ein bißchen verliebt, bis Uschi völlig unvermittelt zum Schlag ausholt: „Du hast immer einen unglaublichen Terror ausgeübt, daß man ein besserer Mensch wird.“ Rainer schaut sehr getroffen. Einen Moment lang ist der Putz runter, die Fassade hin, die Maske weg. Ute Scheub
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