Kohl fährt die Ernte ein: Der Osten wählt schwarz

■ In vier der fünf neuen Bundesländer gewinnt die CDU haushoch/ Nur in Brandenburg hat die SPD die Nase vorn/ „Republikaner“ im bayerischen Landtag/ CSU weiter mit absoluter Mehrheit

Berlin (taz) — Triumphaler Erfolg für Kanzler Kohl: In vier der fünf Länder der ehemaligen DDR erreichte die CDU eine deutliche Mehrheit. In Sachsen gelang dem CDU-Westimport Kurt Biedenkopf sogar die absolute Mehrheit. Nur im neuen Bundesland Brandenburg konnte SPD-Spitzenkandidat Manfred Stolpe mit etwa 38 Prozent den CDU-Mann und Ex-Innenminister Peter-Michael Diestel — er kam auf rund 30 Prozent — überrunden. In Bayern konnte die Nach-Strauß-CSU die absolute Mehrheit ohne Probleme verteidigen. Die SPD stagnierte dort, und die FDP schrammte erneut — nun schon zum dritten Mal hintereinander — unter der Fünf-Prozent-Hürde vorbei. Überraschend gelang dagegen den rechtsradikalen „Republikanern“ der Einzug in den Landtag: Hochrechnungen sahen Schönhuber & Co bei 5,5 Prozent der Stimmen.

Insgesamt erreichte die CDU in den fünf ostdeutschen Ländern etwa 44 Prozent. Die SPD kam auf magere 25 Prozent, die PDS auf 11 Prozent. Bürgerbewegung Bündnis 90/Grüne kamen ebenso wie die FDP ex- DDR-weit auf 7,5 Prozent. Die DSU darf sich mit zusammen 3 Prozent von der politischen Bühne verabschieden. Sie übersprang in keinem einzigen Land die Fünf- Prozent-Hürde.

Mit diesem Wahlergebnis kann die CDU in vier der fünf neuen Bundesländer den Ministerpräsidenten stellen. Dabei dürfen sich die Schwarzen ihren Koalitionspartner aussuchen: SPD und FDP stehen zur Verfügung. In Thüringen deutete sich gestern abend ein CDU/FDP-Bündnis an. SPD- Spitzenkandidat Fahrtmann meinte, er werde seiner Partei von einer großen Koalition abraten. In Sachsen-Anhalt ist eine Verbindung zwischen CDU und Liberalen vorprogrammiert: In diesem Bundesland landete die FDP mit 11 Prozent ein Traumergebnis — nicht zuletzt dank des Heimvorteils für Außenminister Hans-Dietrich Genscher, der aus Halle stammt. In Mecklenburg-Vorpommern bot CDU-Spitzenkandidat Gomolka sowohl der FDP als auch den Bürgerbewegungen eine Koalition an. Allerdings würde selbst ein Bündnis aus CDU, FDP und Bündnis 90 nicht die absolute Mehrheit im Landtag sichern — nur die SPD kann der CDU da aushelfen.

Sachsen kann auf Koalitionen jedweder Art verzichten: Biedenkopf holte mit rund 54 Prozent der Stimmen ein bayerisches CSU-Ergebnis. In Brandenburg ist das Koalitionsbündnis offen. SPD-Spitzenmann Manfred Stolpe kann sich den Partner aussuchen, CDU-Diestel darf zerknirscht zugucken. Verbindungen mit der PDS hatten alle anderen Parteien schon vor dem Urnengang kategorisch ausgeschlossen.

Ob das Bündnis aus Bürgerbewegungen und Grünen in allen neuen Bundesländern in den Landtag ziehen darf, war gestern abend noch unsicher. In Mecklenburg- Vorpommern und Sachsen-Anhalt lagen sie bei Hochrechnungen gegen 20 Uhr knapp unter 5 Prozent. In Thüringen, Sachsen und Brandenburg ist ihr Einzug dagegen sicher. In Bayern mußten die Grünen Verluste von etwa 1,5 Prozent hinnehmen und erreichten nur noch rund 6 Prozent.

Die PDS konnte sich insgesamt erstaunlich gut behaupten. Sie erreichte rund 8 Prozent in Sachsen, knapp 12 in Sachsen-Anhalt, 14 in Mecklenburg-Vorpommern, gut 13 in Brandenburg und etwa 10 Prozent in Thüringen.

Die Wahlbeteiligung lag überall deutlich niedriger als bei den Volkskammerwahlen im März. In Mecklenburg-Vorpommern schritten nur etwa 60 Prozent der Wahlberechtigten zu den Kabinen. In Sachsen lag die Wahlbeteiligung bei rund 80 Prozent. Auch in Bayern machten nur etwa zwei Drittel aller Stimmberechtigten von ihrem Wahlrecht Gebrauch.

Die Mehrheit der SPD im Bundesrat ist mit diesem Wahlergebnis dahin: Kohl kann in Zukunft mit noch weniger Problemen regieren. In der Ländervertretung entfallen auf CDU und CSU 35 Sitze in der nun 68 Stimmen umfassenden Länderkammer, auf die SPD 33. Allerdings ist damit noch keine dominierende Stellung der Union in jedem Fall und bei jedem zustimmungspflichtigen Gesetz im Bundesrat verbunden.

Der stellvertretende SPD-Bundesvorsitzende und früherere Vorsitzende der DDR-SPD Wolfgang Thierse äußerte sich am Sonntag abend „erleichtert“ über das Abschneiden seiner Partei. Das Ergebnis spreche nicht gegen SPD-Kanzlerkandidat Oskar Lafontaine.

Als „phantastisches Ergebnis“ bewertete CDU-Generalsekretär Volker Rühe das Abschneiden der Christdemokraten. Oskar Lafontaine habe eine „massive Quittung“ von den Wählern erhalten. FDP- Chef Lambsdorff zeigte sich erfreut über den Einzug der Liberalen in die Landtage bis auf Bayern. Der Vorsitzende der PDS, Gregor Gysi, bekräftigte, trotz der Einbußen seiner Partei bei den Landtagswahlen habe die PDS gute Chancen, bei der Wahl am 2. Dezember in den Bundestag zu kommen.

Enttäuscht äußerten sich die Grünen in Bonn über das Wahlergebnis. „Republikaner“-Chef Franz Schönhuber wurde von seinen Anhängern auf der Wahlparty seiner Partei in der Münchner Geschäftsstelle begeistert begrüßt. Die Hochrechnung, die für seine Partei 5,3 Prozent voraussagte, quittierte Schönhuber mit dem Ausruf: „Man wird mit uns leben müssen.“ SEITE 2