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Zoni-Schicksal

■ betr.: "Laßt diesen Kelch an mir vorrübergehen ..." (Standbild), taz vom 10.10.90

betr.: „Laß diesen Kelch vorübergehen...“ (Standbild),

taz vom 10.10.90

Aha. So weit her ist es also mit dem wirklichen Interesse, was auf deutsch immer noch Teilnahme heißt, einer Wessi-Journaillistin am konkreten Leben und Leiden eines Ost-Kollegen. So als Schlagzeile, Aufmacher oder einspaltiges Artikelchen läßt es sich wohl noch gebrauchen, irgendein Zoni-Schicksal. Aber einem einzelnen einmal etwas länger zuhören und -sehen, ist offenbar zuviel verlangt. Mag sein, daß der Film stilistische Mängel und teils gestelzt wirkende Assoziationen beinhaltet. Das schmälert aber nicht das Anliegen und schon gar nicht die Person des Ulrich Schacht. Vermutlich fehlt es Frau Simon- Zülch an der Fähigkeit, sich einzudenken und einzufühlen in die Situation derer, die in der DDR den Mund aufgemacht haben. Mein eigener Bruder wollte im gleichen Alter wie Ulrich Schacht nicht mehr so mitspielen, wie er nach realsozialistischer Planung sollte. Bei seinem Versuch, den Weg zu gehen, den zehn Jahre später Tausende gingen, verlor er sein Leben. Und nun kommt da eine her und faselt ihrerseits von einem Abspann, der nun drohen würde: die eventuell folgenden filmischen Aufarbeitungen noch vieler Schicksale ehemaliger DDR- Bürger, die sich nicht anpaßten. Soll ich die Überschrift des Artikels als linke Aufforderung zur Tabuiserung der DDR-Geschichte verstehen?

Frau Simon-Zülch dachte wohl, nach ein bißchen Kritelei am Vereinigungsprozedere nun wieder zur Tagesordnung (womöglich linker Wehwehchen) übergehen zu können, und ist nun erstaunt, daß da jemand beim NDR nicht so platt denkt und handelt. Tja, werte Sybille, mit uns ehemaligen Zonis ist künftig zu leben, gewöhn' Dich dran! Bernward Credo, Kefferhausen

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