„Alles nur Ausnahmewahlen“

■ Bodo Hombach, Landesgeschäftsführer der NRW-SPD, zu den Zukunftschancen der SPD INTERVIEW

taz: Herr Hombach, nach dem Sieg der CDU in der ehemaligen DDR scheint die SPD im vereinten Deutschland auf absehbare Zeit zur Opposition verdammt...

Bodo Hombach: Die Lebensdauer dieser Lehrsätze mit Ewigkeitswert nimmt ständig ab, reicht immer häufiger gerade noch bis zur nächsten Wahl. Den Analytikern wird doch das Wort im Munde alt. Noch vor kurzem wollte man uns in Nordrhein-Westfalen weißmachen, daß der Einzug der Reps in den Düsseldorfer Landtag unausweichlich sei. Jetzt haben sie es nicht einmal in Bayern geschafft. Ein Kanzlerhoch ist zwar mal was Neues, aber die Erfahrungen mit dem Hauptdarsteller zeigen, daß man auf die nächste Baisse schon setzen kann.

Nach drei Wahlgängen haben sich die Mehrheitsverhältnisse zugunsten der CDU in der ehemaligen DDR doch stabilisiert.

Alle drei Wahlen waren Ausnahmewahlen. Die Hoffnungen wurden dabei zum Maßstab der Wahlentscheidungen, nicht etwa die politischen Bilanzen. Es gibt Siege, die wünscht man sich weniger eindeutig, denn die werden sehr teuer. Die überbordenden Erwartungen sind schon jetzt ein Haupthandikap bei der seriösen Sanierung der DDR. In Kürze wird das jetzt schon gezeigte Transparent: „Kohl, wo bleibt die Kohle“, den Schlachtruf: „Wir sind das Volk“, gänzlich abgelöst haben.

Mit der These, daß die Leute sich angesichts der sozialen Verwerfungen in der Ex-DDR schnell wieder von Kohl abwenden würden, geht die SPD seit der Volkskammerwahl erfolglos hausieren. Warum soll diese Rechnung künftig aufgehen?

Daß sich die Einsichten, die Menschen aufgrund sozialer Erfahrungen gewinnen, nicht an Wahlterminen orientieren, ist nichts Neues. Aber dennoch bleibt es ein Aberglaube, zu hoffen — wie es die Konservativen suggerieren —, der Markt allein könne die Probleme lösen.

Der „Aberglaube“ scheint unerschütterlich. Lafontaine kann dagegen offenbar nichts ausrichten. Der falsche Kandidat?

Oskar Lafontaine stellt die richtigen Fragen zur richtigen Zeit. Er ist mutig, flieht nicht in schwammige Formulierungen, sprengt die kulturelle Enge und setzt sich deutlich von dem in Bonn ergrauten Politikertyp ab.

Und verliert bei den Wählern stetig an Zustimmung...

Es ist seit geraumer Zeit zu beobachten, daß mit Hilfe von Meinungsumfragen die Vorwegnahme eines vermuteten Wahlergebnisses zur Kampagne selbst wird, das heißt, daß die Wahlprognose wesentliches Element der Wahlkampagne wird. Damit soll den zweifelnden Wählern nahegelegt werden, sich an den vermeintlichen Sieger anzulehnen, und in diesem Fall sollen die Parteigänger der SPD demoralisiert werden. Lafontaine läßt diese Kampagne auf herzerfrischende Weise nicht an sich herankommen. Die Erfahrungen mit den Vorhersagen, zum Beispiel in Österreich, zeigen, daß der Punkt, wo durch Meinungsumfragen der Wahlkampf überflüssig geworden ist, Gott sei Dank noch nicht erreicht ist.

Kurt Biedenkopf hat im Zusammenhang mit der DDR-CDU von der sozialpolitisch geöffneten Gesamt- CDU gesprochen, die der SPD in der Mitte dauerhaft die Wähler nehmen könnte.

Unser bester Verbündeter in dieser Frage — an der ja auch schon Geißler gescheitert ist — wird Helmut Kohl bleiben. Tatsächlich ist doch Biedenkopfs Vision in der Kohl-CDU ohne jede Basis. Interview: Jacob Sonnenschein