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Oltcit: Die erste große Pleite in Rumänien

■ Der Autohersteller, einst mit Citroen-Beteiligung gegründet, geht in Konkurs/ Franzosen mit Milliardengewinn

Bukarest (adn) — Die rumänische Regierung hat als Hauptaktionär der gemischten Gesellschaft Oltcit ihre Zustimmung gegeben, den Konkurs anzumelden. Damit ist das im südrumänischen Craiova angesiedelte Automobilunternehmen die erste Großfirma des Landes, die in Konkurs geht. Der Grund ist die totale Zahlungsunfähigkeit der Oltcit AG, in deren Bilanz ein Verlust von 5,8 Milliarden französischen Francs (1,9 Milliarden DM) und eine Schuldenlast von 8,7 Milliarden Francs (2,9 Milliarden DM) für Kredite und Kreditzinsen zu Buche steht.

Die Summen sind in Francs fakturiert, weil Oltcit eine gemischte rumänisch-französische Gesellschaft ist. Damit werden auch die in der Landeswährung Lei aufgenommenen Kredite als Schulden in Francs ausgewiesen. Der Schuldenanteil in harten Devisen bei der rumänischen Außenhandelsbank beträgt mehr als fünf Milliarden Francs.

Die Errichtung eines modernen Autowerks in Rumänien durch ein französisches Großunternehmen geht auf eine Absprache zwischen dem rumänischen Diktator Ceausescu und dem französischen Präsidenten Giscard d'Estaing 1975 am Rande der KSZE-Konferenz von Helsinki zurück. Ende 1976 wurde die gemischte Gesellschaft Oltcit s.a. gegründet, die als Hauptaktionär den rumänischen Staat und als einzigen Partner den französischen Konzern Citroen hatte. Am 17.Juni 1977 erfolgte der erste Spatenstich auf dem 117 ha großen Gelände in Craiova, auf dem die mit Abstand größte Autofabrik Südosteuropas entstehen sollte.

Schon bald wurde aber klar, daß die Pläne irreal waren. Statt 1980 mit der Produktion zu beginnen, liefen erst 1982 die ersten Oltcit-Autos — ein kleiner Mittelklassewagen mit 1,1-Liter-Motor — vom Band. Statt der knapp 1,3 Millionen Autos, die planmäßig bis Anfang 1990 produziert werden sollten, wurden bis heute nur 144.000 ausgeliefert. Auch in diesem Jahr hat sich die Lage nicht gebessert. Im Juli verließen das Werk von Craiova 702 Wagen, im August 1.800 und im September 1.450. Rentabel ist der Betrieb bei einer Monatsleistung von 6.000 Stück.

Die Gründe für das Scheitern von Oltcit liegen vor allem in der Selbstüberschätzung und gleichzeitigen Mißwirtschaft des Ceausescu-Regimes. Aus persönlichen Gründen beschloß der Diktator, ein so kompliziertes Industrieunternehmen in seiner Heimatregion Oltenien (daher der Name: Oltenien plus Citroen) anzusiedeln, deren Bevölkerung über eine nur geringfügige industrielle Tradition verfügt.

Auch als das Werk endlich ins Laufen kam, ließen Qualität und Arbeitsintensität zu wünschen übrig. Hinzu kam, daß Citroen den Rumänen einen Wagentyp offeriert hatte, der in Frankreich nie gebaut werden sollte und der sich bei seinem Erscheinen auf dem Markt bereits als veraltet erwies. Vor allem der Benzinverbrauch des Oltcit liegt weit höher als der vergleichbarer Wagen.

Als der Citroen-Konzern merkte, auf was er sich eingelassen hatte, verabschiedete er sich bald aus der gemeinsamen Verantwortung. Seit 1982 hat weder der siebenköpfige Aufsichtsrat noch die Aktionärsversammlung Beschlüsse über die Tätigkeit der Gesellschaft gefaßt.

Durch die unsinnige Entscheidung Ceausescus, sämtliche Auslandsschulden Rumäniens in harter Währung innerhalb weniger Jahre abzuzahlen, erhielt Citroen 4,4 Milliarden Francs von der rumänischen Außenhandelsbank ausgezahlt, was für die Franzosen ein Gewinn von etwa einer Milliarde Francs bedeutet.

Die Firmenbeziehungen wurden fortgesetzt, da Oltcit ohne Zulieferungen aus Frankreich nicht produzieren konnte. Dabei stiegen die Preise für die französischen Lieferungen weitaus schneller als der Endabnahmepreis, für den Citroen einen Teil der Produktion aus Craiova zur Vermarktung übernahm. So betrugen am Ende die Produktionskosten 27.000 Francs, der Aufkaufpreis durch Citroen jedoch nur 16.000 Francs.

Ursprünglich war vereinbart worden, daß Citroen die Hälfte der Jahresproduktion von insgesamt 150.000 PKW vermarktet und dazu 28.000 Motoren pro Jahr aus Craiova abnimmt. Zu diesem Handel kam es jedoch nie, da die rumänische Seite weder die vereinbarte Menge noch die geforderte Qualität garantieren konnte.

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