: FDP-Frauen: An die Parteileine genommen
Liberale Politikerinnen lassen sich von ihren Mannen aus der interfraktionellen Fraueninitiative zurückpfeifen/ Der parteiübergreifende Gesetzentwurf zur Fristenlösung ist ohne die Stimmen der FDPlerinnen zum Scheitern verurteilt ■ Von Tina Stadlmayer
Bonn (taz) — Verwirrung und Ärger machte sich gestern bei den Bonner Frauenpolitikerinnen breit. Eine FDP-Sprecherin hatte ausgeplaudert, daß die interfraktionelle Initiative zur Liberalisierung des Abtreibungsrechtes geplatzt sei. Renate Schmidt (SPD) rief sofort bei ihrer Kollegin von den Liberalen, Irmgard Adam-Schwaetzer an. Die bestätigte ihr, daß sie Schwierigkeiten mit ihrer Partei habe. Bei einer Bundesvorstandssitzung am Montag hatten Fraktionschef Wolfgang Mischnick, Burkhard Hirsch und der rheinland- pfälzische Justizminister Peter Caesar die Frauen gewarnt, mit der SPD gemeinsame Sache zu machen. Eine Initiative zur Änderung des Abtreibungsrechtes bringe in dieser Legislaturperiode sowieso nichts mehr, und die Koalitionspartner von der CDU könnten darauf sauer reagieren. Für die Sozialdemokratin Renate Schmidt steht damit fest: „Nach dem Wahlergebnis vom vergangenen Sonntag glaubt die FDP, uns braucht sie nun nicht mehr.“
Die FDP-Frauenpolitikerinnen Irmgard Adam-Schwaetzer und Uta Würfel hatten sich mit den SPD- Frauen bereits auf einen gemeinsamen Antrag zur Fristenlösung geeinigt. Lediglich die Begründung sollte noch zusammen ausgearbeitet werden. Ein für Freitag geplantes abschließendes Treffen findet nun nicht mehr statt. Die Sozialdemokratin Renate Schmidt wirft der FDP vor, „offensichtlich vom Einigungsvertrag klammheilich abrücken“ zu wollen. Im Staatsvertrag mit der DDR war eine Neuordnung des Abtreibungsrechtes beschlossen worden.
Heute will Renate Schmidt den Entwurf, der in stundenlangen Diskussionen mit Politikerinnen von FDP, Grünen und PDS abgestimmt worden war, erstmal ihrer eigenen Fraktion vorlegen. Sie hofft auf breite Zustimmung, obwohl auch einige Sozialdemokraten bereits angekündigt hatten, sie seien für einen Beratungszwang. Kommende Woche wird Renate Schmidt den Entwurf an alle Bundestagsabgeordneten schicken und um ihre Unterschrift bitten. Einen interfraktionellen Antrag will sie jedoch nur dann einbringen, wenn neben Grünen und PDS auch noch einige Abgeordnete von FDP oder CDU ihre Namen darunter setzen.
Bereits seit einigen Wochen ist klar, daß das sogenannte Schwangerenhilfegesetz aus Zeitgründen in dieser Legislaturperiode nicht mehr verabschiedet werden kann. Für den 31. Oktober war jedoch noch die erste Lesung geplant. Die FDP hätte damit auch für die Zeit nach der Wahl in der Pflicht gestanden: Sie kann schließlich kein Gesetz ablehnen, das sie miteingebracht hat.
Im Einzelnen sieht der, mit Irmgard Adam Schwaetzer und Uta Würfel abgesprochende, SPD-Entwurf vor: „Jede Frau wird nach Feststellung einer Schwangerschaft über alle Ansprüche einer Schwangeren informiert, ...“ Die Informationspflicht obliegt dem/der die Schwangerschaft feststellenden Arzt/Ärztin. Ihr wird dadurch entsprochen, daß der Schwangeren eine bundeseinheitliche Informationsbroschüre ausgehändigt wird. Der Arzt oder die Ärztin hat hierüber einen Nachweis zu führen.“
Darüberhinaus hat jede Frau Anspruch auf unentgeltliche Beratung in einer Beratungsstelle. Wer ohne „erforderliche Bescheinigung“ eine Schwangerschaft abbricht, begeht eine Ordnungswidrigkeit. Strafbar macht sich der Arzt/die Ärztin wenn er/sie „eine fremde Schwangerschaft abbricht, obwohl seit der Empfängnis mehr als zwölf Wochen vergangen sind.“ Die Frau bleibt in jedem Fall straffrei.
In den Artikeln 1 bis 14 des Entwurfes sind zahlreiche soziale Hilfen für Schwangere und Mütter festgeschrieben: Der „Anspruch auf Sexualerziehung und Aufklärung“, die „öffentliche Förderung der Beratungsstellen“ (je 40.000 EinwohnerInnen mindestens eine Beraterin), die Erhöhung des Erziehungsgeldes für Alleinerziehende auf 1.000 DM im Monat, der Kündigungsschutz während des erweiterten Erziehungsurlaubes, zinsbegünstigte Darlehen für Schwangere und junge Familien, die vorrangige Berücksichtigung bei der Wohnungsvergabe, bevorzugte Förderung bei der Ausbildung und am Arbeitsmarkt und last not least der „Rechtsanspruch auf Kindergartenbetreuung für jedes in Deutschland wohnhafte Kind“.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen