piwik no script img

EG setzt auf einiges Jugoslawien

■ Zerrissenheit wäre Hindernis für künftige Kooperation/ EG-Partner beobachten seit einiger Zeit mit Besorgnis Italiens Alleingänge bei der Partnersuche im Osten

Im vergangenen August trafen sie sich in Venedig zum zweiten Mal, die Vertreter des „Pentagono“ (Fünfeck): Italien, Österreich, Ungarn, die CSFR und Jugoslawien verpaßten sich eine Art „Grundsatzcharta“, nach der sie „engstens zusammenarbeiten wollen, und zwar auf allen Gebieten — von der Ökonomie zur Ökologie, von der Kultur bis zur Kriminalitätsbekämpfung“. Die Sache schien auch Sinn zu machen, war doch zumindest Jugoslawien immer schon Einflußgebiet des Nachbars Italien, auf der anderen Seite der Adria.

Und es sah so aus (besser: wurde so präsentiert), als sei die Inkraftsetzung der Zusammenarbeit, die Finanzierung aufwendiger gemeinsamer Projekte, ja die Assoziation der vier Nicht-EG-Länder an die Gemeinschaft nur noch eine Frage von Monaten — schließlich führt Italien in Brüssel derzeit turnusmäßig den EG-Vorsitz; und De Michelis wird nicht müde, dies zu betonen.

Mittlerweile hat sich das Bild gewandelt. „Die müssen ja erst noch Geld besorgen“, erkannte entsetzt 'la Stampa‘. Und 'la Repubblica‘ fragt, „ob überhaupt ein ernster Wille dahintersteckt, außer Schaufensteraktionen auch Konkretes zu schaffen“. Zwar tönt De Michelis noch immer von der „historischen Dimension von Absprachen einst verfeindeter Staaten (Kriege zwischen seinem Land und Österreich sowie den Völkern des heutigen Jugoslawien gab es genug, die Grenzstadt Triest ist zwar nicht durch eine Mauer, aber durch einen hohen Zaun geteilt). Doch gleichzeitig läßt er in seine Reden — so erst vorgestern auf der Wiener „Konferenz über den Donau- und Adria-Raum — einfließen, daß Italien auch die „nach der KSZE historisch wichtigste Aufgabe“ übernommen hat, eine Konferenz für Sicherheit und Zusammenarbeit im Mittelmeerraum zu organisieren.

Auseinanderbrechen „höchst unpraktisch“

Die vier Pentagono-Partner Italiens rätseln seither, ob der Minister nur wegen des „Lastwagenkrieges“ mit Österreich (die Beschränkung der Brummis im Transitverkehr) sauer ist, ob ihm der Süden inzwischen wichtiger, weil viel größer, ist. Oder ob sie allesamt nur Teil eines strategischen Spieles sind, mit dem der Ober-Diplomat in bewährter italienischer Manier die einen gegen die anderen ausspielen möchte.

Für diese Befürchtung spricht, daß De Michelis während der eben beendeten römischen „Neun-plus Eins-Konferenz“ der EG-Mittelmeeranrainer und der Maghrebstaaten (Italien, Portugal, Spanien, Frankreich, Mauretanien, Algerien, Tunesien, Libyen — plus Eins: Malta) umgekehrt mit seinen Pentagono-Erfolgen herumwedelte.

Das Spiel könnte schiefgehen. Schon seit einiger Zeit beobachten die EG-Partner eher besorgt italienische Alleingänge. „Es besteht die Gefahr“, so ein Brüsseler Spitzendiplomat, derzeit in Rom zur Vorbereitung einer Tagung von italienischen und EG-Abgeordneten, „daß einzelne Länder, um ihr Gewicht innerhalb der Gemeinschaft zu stärken, einfach irgendwo in der Umgebung nach Alliierten suchen, ohne so recht hinzusehen, was sich dort abspielt.“ Deutschlands Genscher sah sich gezwungen, im Hinblick auf Jugoslawien darauf hinzuweisen, daß das Land für die EG nur dann interessant sei, „wenn es auch die Demokratie realisiert, ohne alle Einschränkung“. Ein von ehtnischen Spannungen zerrissenes Land könne „nur dann wieder ökonomisch Tritt fassen, wenn es zu einer staatlichen Gemeinsamkeit ohne Dominanz einzelner Volksteile über andere findet“. Die EG hat ein großes Interesse an einem einheitlichen Jugoslawien. Sie stabilisiert den Dinar schon seit geraumer Zeit.

Außenminister De Michelis hat in Wien die Genscher-Forderung nach Demokratie fast wörtlich wiederholt. Ob er inhaltlich damit etwas anfangen kann, blieb freilich unklar. Im kleineren Kreis motivierte er die Formel jedenfalls lediglich pragmatisch: „Es wäre ja höchst unpraktisch, wenn Jugoslawien auseinanderbrechen würde — dann müßten wir ja mit drei oder vier Kleinstaatregierungen verhandeln.“ Werner Raith, Rom

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen