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„Ich fühle mich für Unruhe zuständig“

■ Der ehemalige DGB-Vorsitzende Heinz-Oskar Vetter ist tot/ Ein Verlegenheitskandidat mit Autorität

Berlin (taz) — Es war, als habe Heinz-Oskar Vetter nach seinem Ausscheiden aus dem Amt des DGB- Vorsitzenden noch eine Last abtragen wollen. Der jetzt in Mühlheim/ Ruhr nach langer Krankheit gestorbene 72jährige Gewerkschaftsführer verweigerte sich bis zum letzten Jahr beharrlich einem beschaulichen Ruhestand, engagierte sich als Europaabgeordneter der sozialistischen Fraktion für die Rechte der Asylsuchenden innerhalb der EG, setzte sich für die Harmonisierung des Sozialrechts und für Mitbestimmungsrechte ein. Heinz Oskar Vetters Engagement für die Menschenrechte, das bescheinigten alle, die mit ihm im Europäischen Parlament in den letzten Jahren zu tun hatten, entsprang seinen innersten Überzeugungen, daß soziale Wohlfahrt und bürgerliche Freiheitsrechte untrennbar miteinander verbunden sind.

Heinz Oskar Vetter wurde am 21. 0ktober 1917 in Bochum-Werne geboren. Nach Abitur und beruflicher Ausbildung als Maschinenschlosser begann er 1952 seine Gewerkschaftskarriere als hauptamtlicher Sekretär bei der IG Bergbau und Energie. 1964 wurde er zweiter Vorsitzender der Bergbaugewerkschaft. DGB-Vorsitzender wurde er ebenso wie sein derzeitiger Nachfolger Heinz-Werner Meyer: als Verlegenheitskandidat. Viele Delegierte des DGB-Kongresses 1969 kannten ihren zukünftigen Vorsitzenden nicht einmal, als er sich zur Wahl stellte. Und nur eine knappe Mehrheit der 427 Delegierten mochte dem „Vetter aus Dingsda“ die Stimme geben.

Trotz dieses schlechten Starts wurde Vetter schnell zur unumstrittenen Autorität an der Spitze des DGB — hochgeachtet in allen politischen Lagern. Gegenüber der Studentenbewegung und den neuen sozialen Bewegungen jedoch verhielt er sich reserviert und abgrenzend. Er trug damit zur wachsenden gesellschaftlichen Isolation der Gewerkschaften in den 80er Jahren bei.

Die schwerste Hypothek seiner Amtszeit hinterließ er den Gewerkschaften jedoch mit dem Skandal um die Neue Heimat. Zwar konnten Vetter nie persönliche Verfehlungen nachgewiesen werden. Aber seine Amtszeit steht für das ungehinderte Wuchern des Filzes in der einstmals mächtigen gewerkschaftlichen Gemeinwirtschaft, für Kameraderie unter den vom Wachstum besessenen Spitzenmanagern und den gewerkschaftlichen Aufsichtsräten.

„Ich fühle mich für Unruhe zuständig“, hat der 65jährige 1982 bei seinem Ausscheiden gesagt. Und unruhig, politisch engagiert ist er geblieben, solange es ihm die Krankheit erlaubte. Heinz Oskar Vetter verkörperte in seiner Person wie kaum ein anderer Gewerkschaftsführer des DGB glaubwürdiges soziales Engagement und das Elend des gewerkschaftlichen Milieus.

Der jetzige DGB-Chef Meyer würdigte Vetter als „personifizierten Markstein der Gewerkschaftsbewegung.“ Sein Vorgänger habe auch mit den eigenen Parteifreunden — Vetter gehörte seit 1952 der SPD an — keine Auseinandersetzung gescheut. Aus der Geschichte der deutschen Sozialpolitik sei er nicht mehr wegzudenken. Martin Kempe

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