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Mit Pfandsystemen gegen Autowahn

■ Hilflos aber optimistisch blickt Umweltminister Töpfer in die gesamtdeutsche Verkehrszukunft Alimentierung für Kat-Fahrzeuge bis 1992 fortgeschrieben/ Umstellung der KFZ-Steuer verschoben

Berlin/Bonn (dpa/ap/taz) — Als besonders kritisch bezeichnete Umweltminister Töpfer in seinem Ausblick „Auto und Umwelt“ (siehe Seite 1) das Jahr 1993. Dann werde die Motorisierung in der Ex-DDR durch einen hohen Stand an „unmodernen, wenig umweltverträglichen Gebrauchtwagen“ ihren vorläufigen Höhepunkt erreicht haben. Insgesamt werden dann nach Töpfers Zahlen rund 35 Millionen Autos in Deutschland rollen.

Trotz dieser düsteren Aussichten kündigte Töpfer weitere Subventionen für den Autoverkehr an. Die steuerliche Begünstigung für Katalysator-Fahrzeugen soll bis Ende Juli 1992 fortgeschrieben werden. Damit werde auch für die neuen Bundesländer ein Anreiz für Katalysator-Fahrzeuge geschaffen, begründete Töpfer die weitere Alimentierung.

Ungeachtet der dramatischen Zunahme des Auto- und LKW-Verkehrs will Töpfer an seinen Plänen für die Reduzierung der Stickoxide und von Kohlendioxid festhalten. Wie er das angesichts des Autobooms erreichen will, stand auf Töpfers Pressekonferenz als übergroßes Fragezeichen im Raum.

Der Bonner Minister kündigte zugleich an, daß er eine Pfand- und Rücknahmepflicht für Altautos erlassen werde, wenn die Industrie die schrottreifen Wagen nicht von sich aus zurücknimmt. Er habe der Automobilindustrie das Ziel gesetzt, Rücknahmesysteme aufzubauen, die die Verwertung und die Entsorgung der Wagen außerhalb der Müllbeseitigung sicherstellen. BMW baue in Wackersdorf bereits eine Demontagefabrik.

Wer Autos herstelle, habe die Verpflichtung, sie auch zurückzunehmen, sagte Töpfer. Den Autofahrern müsse allerdings ein finanzieller Anreiz gegeben werden, damit sie die Schrottwagen auch ablieferten. Eine Summe nannte der Umweltminister nicht, verwies aber darauf, daß er hoffe, daß die Industrie in Eigenregie das Rücknahmesystem aufbaue. Falls das aber nicht geschehe, werde man im kommenden Jahr über eine Verordnung entscheiden.

Nach Töpfers Angaben werden jährlich etwa zwei Millionen Autos verschrottet. Davon gelangten 85 Prozent in 33 inländische Shredderanlagen, die restlichen 15 Prozent würden noch mit Scheren zerkleinert. Probleme bereite neben der Zahl der Schrottautos vor allem der weiter steigende toxisch bedenkliche Kunststoffanteil. Er habe sich von 2,9 Gewichtsprozent im Jahr 1970 auf derzeit schon über 12 Gewichtsprozent erhöht. Die 400.000 Tonnen Kunststoffabfälle jährlich seien ein „gravierendes Umweltproblem“, sagte Töpfer. Die Shredderabfälle seien wegen der ölhaltigen Bestandteile mit Spuren von hochgiftigen PCB (Polychlorierte Biphenyle) problematisch.

Die von der Bundesregierung versprochene Umstellung der Kraftfahrzeugsteuer von der Bemessung nach Hubraum auf die vom Auto ausgehenden Umweltbelastungen wird in dieser Legislaturperiode nicht mehr kommen. Die entsprechende Vorlage sei zwar zwischen den Ressorts abgestimmt, könne aber vom Kabinett im November nicht mehr verabschiedet werden. Töpfer erwartet von dieser Umstellung Anreize zur Entwicklung emissionsärmerer Autos.

Der starken Zunahme des Lastwagenverkehrs in Europa um 50 Prozent nach Einführung des europäischen Binnenmarkts will Töpfer mit einem Vorstoß bei der EG für eine Verringerung der Grenzwerte für umweltschädliche Emissionen durch LKW begegnen.

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