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Reisen gegen den Strom der Zeit

Terra-X: „Die Inseln des Drachenbaums“, Sonntag, 19.30 Uhr, ZDF  ■ Von Petra Dubilski

Ob Gran Canaria oder Gomera, Teneriffa oder La Palma, die Kanarischen Inseln bedeuten für die meisten Menschen nicht mehr als ein sonniges Ferienziel. Kleine Ausflüge ins Land mit Folklore oder Wanderungen in den Wäldern sind in der Regel schon das höchste der Gefühle, wenn die Urlauber geruhen, sich aus ihren Strandkörben zu erheben. Was aber weiß man von der Kultur, von den Lebensgewohnheiten und vor allem von der Geschichte dieser „Inseln der Glückseligen“? Gängige Reiseführer erwähnen von den Rätseln der kanarischen Vergangenheit meist nur Belangloses. Das wirklich Interessante ist offenbar nicht augenfällig genug.

Die Sendereihe „Terra-X“ des ZDF, in früheren Folgen bereits auf spannende und informative Weise auf den Spuren der Mythen und Geheimnisse dieser Welt, startet am morgigen Sonntag eine neue Staffel von insgesamt sechs Sendungen mit dem Film Die Inseln des Drachenbaums — Magische Plätze auf den Kanaren. Die Schlüsselfrage der Fernsehreportage ist jedoch weder die geheimnisvolle urzeitliche Pflanze im Titel, die es sonst nirgends auf der Welt noch gibt, noch Orte der Zauberei und Magie, wie der Untertitel suggeriert. Im Mittelpunkt des Films steht die vergessene Kultur der Ureinwohner, der Guanchen.

Woher kam dieses unbekannte Volk? Wie erreichten sie die Inseln im Atlantik? Was haben die Kultgegenstände und geheimnisvollen Schriftzeichen, die vereinzelt gefunden wurden, zu bedeuten? Viele solcher Fragen werfen die beiden Autoren Frieder Mayrhofer und Harald Braem auf, ultimative Antworten können und wollen aber auch sie nicht geben. Wie auch — nicht einmal Historiker und Archäologen wissen um die Ursprünge der Guanchen. Zu spärlich sind die Überreste und Zeugnisse ihres Daseins.

Mit eindrucksvollen Bildern von der bizarren Schönheit derInseln und nachgestellten Ritualen der Ureinwohner macht der Film neugierig auf die vergessene Kultur der Kanaren. Der „Lucha Canaria“ beispielsweise, ein traditioneller, noch heute alljährlich stattfindender Ringkampf, der von fremdartigen Gesängen der Zuschauer begleitet wird, oder das Teufelsfest auf La Palma, ein gefährliches und mitunter auch tödliches Spiel mit dem Feuer der Vulkane, sind möglicherweise lebendig erhaltene Bräuche aus den Zeiten der Guanchen. Längst schon wurde vieles durch jahrhundertelange Kolonisation hauptsächlich durch die Spanier und durch den Herrschaftsanspruch der Kirche verwässert. Und doch blitzt immer wieder das andere, das Fremde hervor.

Wie in einem Krimi verfolgen die Autoren die Spuren der Vergangenheit, um das Rätsel, den Mythos zu entwirren — ohne jedoch spektakuläre Theorien aufzustellen. Diesem Konzept, das in allen Folgen der Serie Prinzip ist, verdankt Terra-X auch seine Popularität. Keine trockene Wissenschaftssendung im späten Bildungsprogramm, keine besserwisserische Unverständlichkeit, sondern lebendige Darstellung von „Expeditionen in die Zeit“ ist das erklärte Ziel der ZDF-Redaktion. Wissensdurst und Phantasie der Zuschauer werden gleichermaßen angeregt. Zur besten Sendezeit eine gelungene Mischung aus Information und Unterhaltung geboten zu bekommen, macht auch Appetit auf die anderen Sendungen der Terra-X-Staffel. Da geht es dann zum Beispiel um eine versunkene Indianerstadt in New Mexico, um das Rätsel der steinernen Denkmäler auf der Osterinsel oder um eine Reise auf den Spuren des Odysseus von Troja bis Ithaka, originalgetreu nach den Angaben des Homer. Bildungsreisen im besten Sinne, auch wenn man dabei an den Winterabenden in der warmen heimischen Stube hocken bleiben kann.

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