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Gorillas Abgesang für den Regenwald

Nun hat es Jürgen Warnke (CSU) doch noch zu einer Schirmherrschaft in Sachen Regenwald gebracht. Mitglieder der Umweltorganisation „Rettet den Regenwald“ ernannten den Bundesminister für wirtschaftliche Zusammenarbeit am Sonntag zum „Schirmherr über alle Motorsägen“. Gleichzeitig stellten die Umweltschützer einem Ministervertreter als „sichtbares Zeichen für die bisherige Bonner Regenwald-Politik“ eine nachgebaute Motorsäge zur Verfügung.

Anlaß der Aktion war ein Regenwald-Requiem mit internationaler Starbesetzung in der Frankfurter Alten Oper. Bevor sich die Besucher jedoch zu Verdis Totenmesse niederlassen konnten, mußten sie einige Hindernisse überwinden. Eine Horde lebensechter Gorillas stellte sich ihnen in den Weg, und eine gefährliche Straßenbaustelle mußte überwunden werden — als kleine Erinnerung an die Asphaltstraße durch den Nationalpark im Osten Zaires.

Weil Warnke seit Jahren für regenwaldzerstörende Projekte die Verantwortung trägt, war der ursprünglich als Schirmherr vorgesehene Minister vom Veranstalter, den „Artists United for Nature“, in der vergangenen Woche wieder ausgeladen worden (taz vom 18.9.1990). Reinhard Behrend, Vorsitzender von „Rettet den Regenwald“, begründete die Motorsägenaktion mit einem aktuellen Beispiel aus dem westafrikanischen Guinea. Dort fördert die bundeseigene Kreditanstalt für Wiederaufbau den Bau einer Erschließungsstraße mit 10 Millionen Mark. „Das Projekt vernichtet nachweislich den dortigen Tropenwald“, konstatierte Behrend. Als Beweis legte er ein vertrauliches Telex vor, das aus Warnkes Ministerium an die deutsche Botschaft in Guinea geschickt worden ist (AZ: 122 — K2032GUI — 47/89). Darin schreibt der zuständige Beamte der Bundesregierung über die Folgen der geplanten Straßenfinanzierung: „Ich bin mir darüber im klaren, daß hierbei das Einbringen der von deutscher Seite erarbeiteten Konzeptionen und Strategien zur Erhaltung der tropischen Regenwälder kaum beziehungsweise weitgehend nicht möglich sein wird.“

Mehr Fingerspitzengefühl als Minister Warnke bewies der Dirigent Enoch zu Guttenberg. Unter seiner Leitung war es gelungen, MusikerInnen der 25 bedeutendsten Orchester Europas zusammenzutrommeln. Am Sonntag wurde in der Frankfurter Alten Oper der Auftakt zu einer Sterbeliedtournee inszeniert. Mit Guiseppe Verdis „Messa da Requiem“ wählte das „European Symphony Orchestra“ eine musikalische Anklageform, die dem abendkleid- und frackschwangeren Publikum mächtig unter die Haut fuhr. „Tag der Tränen, Weg der Wehen, da vom Grabe wird erstehen, zum Gericht ein Mensch voll Sünden“, hatten ihm Soloquartett und Chor entgegengeschmettert.

Betroffen dekadent griff man/frau beim anschließenden Empfang für die Ehrengäste zu Vollkornschnittchen und Sekt und war sich einig: Der Regenwald darf nicht sterben! Die bei den oberen Zehntausend einst beliebten Särge aus Mahagoni wird es wohl in Zukunft nicht mehr geben. Werner Paczian

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