: Goldrotschwarz — wie denn sonst?
■ Zwischenbericht vom bundesweiten Ideenwettbewerb des Bremer IDC zur Neugestaltung der deutschen Staatsflagge
Schon rein ästhetisch, von der Farbpsychologie her, wäre es eine gute Idee, die ostrheinische Trikolore neu zu überdenken, den merkwürdig finsteren, dumpf- aggressiven Farbakkord, der, auf flatternden Stoff gedruckt, den Deutschen als Staatssymbol dient. Die goldene Basis, wie sie ächzt unter der Last des Rot, das wiederum vom Schwarz plattgedrückt wird: Geld, im Blut gebadet, mit einer Schicht Boden bedeckt — mit der alten Staatsflagge läßt sich nichts Gutes assoziieren. Eine Neue muß her.
Dachte man sich jedenfalls im Bremer Informations Design Centrum )(IDC) und schrieb in Zusammenarbeit mit der Angestelltenkammer und der IG Medien einen Preis aus für die Neukonzeption der Bundesflagge. Am 9. November sollen die eingegangenen Entwürfe im Kultursaal der Angestelltenkammer ausgestellt und die Preise verliehen werden. Eine Woche vor Einsendeschluß hat sich die Befürchtung der Veranstalter nicht bestätigt, daß Chaoten die Ausschreibung zum Anlaß nähmen, die Fahne der Deutschen zu verunglimpfen. Stattdessen sind nun zahlreiche ernst zu nehmende Entwürfe eingegangen, die zeigen, daß die Deutschen Flaggengestalter gewillt sind, auf die seit den „Befreiungskriegen“ veränderten historischen Bedingungen zu reagieren und die damalige Fahne des Lützowschen Freikorps weiterzuentwickeln.
Sie war ja nicht einfach, die Aufgabe. Ein sinnfälliges Zeichen für einen Staat zu finden, eines, das zudem noch die Bedeutung der ökologischen Fragen und die grundgesetzlich versicherte Gleichberechtigung der Frau mitreflektiert, wie es der Ausschreibungstext verlangt.
Der Deutsche Gestalter steht zu seinen Nationalfarben. Er schwächt sie vielleicht ein wenig ab, das Schwarz ein bißchen heller, das Rot weniger leuchtend, oder er stellt sie vom Kopf auf die Füße — Schwarz unten, Gold oben — und findet das gleichzeitig natürlich und spirituell. Wenn er gar die schwarze Basis durch eine grüne ersetzt, dann wird die Republik eine ökologische (lila macht sie feministisch). Eigentlich keine schlechte Idee, mit den austauschbaren Farben.
Unter den Deutschen Gestaltern macht sich ornithologischer Realitätssinn breit: Neben dem imposanten, einzelgängerischen Adler bevölkert das unscheinbare, allesfressende Massentier Taube die Fahnenentwürfe. Besonders gelungen auch die Gegenüberstellung der beiden symbolträchtigen Vögel in schwarzrotgoldener Landschaft: Der Adler, gespreizt und an die Wand genagelt, Symbol der martialischen Vergangenheit und des 2 Markstückes, auf einem rotgeränderten gelben Phallus, dominiert von der Taube der Gegenwart, die einen nukleartechnischen Altar in Form einer überdimensionierten Mutterbrust ziert. Gemeinsam sind sie behütet von einem Paar betender Hände. Schön und ergreifend wie das Leben.
Der Deutsche Gestalter blickt über die Landesgrenzen in die Ferne. Blau zeigt sich die Weite, die Erweiterung der Deutschen Einflußsphäre, Blau ist die Farbe des Europarats, der Nato, der UN. Blau ist wichtig geworden für die Deutschen, als neue Grundfarbe der Flagge, in die der alte Dreiklang nur eingelegt ist, oder als Fenster, nur hier scheiden sich die Patrioten. Einig sind sie sich dagegen, daß die Farben der Flagge mit denen der Staatsparteien gleichzusetzen sind, und deshalb die Bundesfahne um einen grünen Farbspritzer, einen schüchtern eingeengten oder auch einen dynamisch geschwungenen, bereichert gehört. Und, noch eine wichtige Erkenntnis: Es besteht unter den Deutschen
Gestaltern das Bedürfnis, den föderativen Charakter in der Flagge zu repräsentieren. Sterne wie in der US-Flagge, oder Deutsche Eichenblätter in Ring-oder Kolonnenformation, sechzehn Stück an der Zahl, soviel wie es Bundes
länder gibt (BR Deutschland, Gegenwart) oder zwölf (EG Deutschland, Zukunft).
So wirken die Flaggenmaler als Seismographen der Geschichte, und die Juroren werden es schwer haben. step
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen