EUROFACETTEN: Nieder mit den Alpen
■ ... freier Blick zum Mittelmeer
Weiter buddeln, bohren, betonieren. Das Zauberwort heißt Engpässe beseitigen. Alle strategischen Straßenprojekte sind so entstanden: Die einzelnen Baumaßnahmen — Ausbau auf drei-, vier-, sechsspurig; Untertunnelung, kreuzungsfreie Piste — wurden mit Engpässen begründet, um als Dauerstauzone zu enden. „Nieder mit den Alpen — freier Blick zum Mittelmeer.“ Der Spruch wird — in Form des Blicks durch die Röhre — Wirklichkeit. Die Alpen sollen als Teil des „Kampfes gegen Engpässe“ untertunnelt — und damit die „Engpässe“ Nachtfahrverbot und Tonnagebeschränkung in Österreich und der Schweiz im Wortsinne unterlaufen — werden. Der erste Durchbruch beim Ärmelkanal-Tunnel wird dieser Tage gefeiert. Gigantische Brückenkonstruktionen sollen als „Skan-link“ über den dänischen Belt führen. Sizilien soll mit einer Brücke zivilisatorisch für Europa erschlossen, die Reichsautobahnen ins neue Ostprotektorat verlängert werden.
Die Ziele der neuerlichen Orgie des Buddelns, Bohrens und Betonierens sind dreifach: Erstens geht es um die Forderung der Industrie, daß benötigte Lieferungen „just in time“ ankommen sollen, um Lagerhaltungskosten zu vermeiden. Das bekannte Modell: Vergesellschaftung der Verluste und Privatisierung der Gewinne. Zweitens soll im Personenverkehr das Eurokratie-Travelling optimiert werden. Hier entdecken Manager und Banker, gestreßt von überfüllten Lufträumen, sogar die Bahn. Also werden Höchstgeschwindigkeitsstrecken in die Landschaft gefräst. Shopping in Paris, Weltausstellung in Sevilla, Eurositzung in Brüssel, Reichstag in Berlin. En passant bewirkt die Konzentration der Bahn-Milliarden auf diese Bonzenschleudern, daß der Schienenverkehr in der Fläche endgültig passé sein wird. Drittens folgt diese Verkehrspolitik der Logik: Nach der Autoflut die Sintflut. Die neuen Straßen, Brücken und Tunnels sollen hundert und mehr Jahre halten. Die Erdölvorräte reichen — einschließlich der letzte Woche neu entdeckten Quellen — gerade noch 45 Jahre. Winfried Wolf
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