piwik no script img

Verfassungsschutz will nichts gewußt haben

■ Der Berliner Innensenator will sich im Fall „La Belle“ grundsätzlich nicht zu V-Leuten äußern

Berlin (taz) — Weder bestätigen noch dementieren, wollte der Sprecher des Berliner Innensenators, Werner Thronicker, den gestrigen taz-Bericht über einen V-Mann des Verfassungsschutzes im Umfeld der mutmaßlich Verantwortlichen für das Attentat auf die Diskothek „La Belle“. Aus grundsätzlichen Erwägungen, so Throniker zur taz, könne über V-Mann-Angelegenheiten keine öffentliche Auskunft gegeben werden.

Nach Informationen der taz war der drei Wochen nach dem am 5. April 1986 durchgeführten Anschlag auf die Disko ermordete Libyer Mohamed Ashur ein V-Mann des Berliner Landesamtes für Verfassungsschutz. Ashur wurde am 1. Mai 1986 offenbar von anderen Libyern als Verräter erschossen, die ihn für einen CIA-Informanten hielten. Unklar ist bislang, bis zu welchem Zeitpunkt Ashur den Verfassungsschutz über die Planung eines Attentats informierte. Die Staatssicherheit der früheren DDR, der Ashur ebenfalls Informationen hatte zukommen lassen, notierte in einem Bericht über den Ablauf des Attentats, die Quelle sei sieben Tage vor dem Attentat verstummt. Nach Auffassung des Innenausschusses des Bundestages, der sich gestern mit vermuteten Zusammenhängen der Stasi und terroristischen Organisationen beschäftigte, war die Stasi allerdings umfassend über die Attentatsvorbereitung informiert.

Inoffiziell wurde der taz gestern aus dem Berliner Landesamt mitgeteilt, es habe dort keinerlei Informationen gegeben, die auf eine Aktion gegen die Diskothek „La Belle“ hingewiesen hätten. Darüber hinausgehende Informationen könne allerdings nur der Innensenator geben. Das Attentat, bei dem drei Menschen getötet wurden, darunter zwei in Berlin stationierte US-Soldaten, diente dem damaligen US-Präsidenten Ronald Reagan als Begründung für den Luftangriff auf Libyen am 15. April 1986.

Als Reaktion auf den Bericht der taz, fordert die Alternative Liste (AL) nun eine Sondersitzung des Verfassungschutzausschusses, um verschiedene offene Fragen zu klären. Vor allem will die AL wissen, welche Informationen der V-Mann- Führer von Ashur, der dem Bereich Ausländerextremismus zugehörige Beamte H., über den Anschlag auf die Disko beschaffte und was damit im Landesamt für Verfassungsschutz geschah. Nach Informationen der AL ist H. inzwischen zum Sicherheitsfall erklärt worden und im Moment damit beschäftigt, eine Bedrohungsanalyse für sich zu erstellen. H., der im Verfassungsschutz unter dem Arbeitsnamen „Franke“ geführt wird, ist in Insiderkreisen kein Unbekannter. Er war seit Ende 1974 als Mitarbeiter des mittlerweile verstorbenen Verfassungsschützers Grünhagen mit dem Komplex Schmücker befaßt. JG

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen