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Abschaffung aller Zwangsdienste

■ betr.: "Zivil und hilfsbereit" Foto auf Seite 4, taz vom 23.10.90

betr.: „Zivil und hilfsbereit“ (Foto auf Seite 4, taz vom 23.10.90

Laut taz plädieren die Juso-Hochschulgruppen für einen „echten Zivildienst“ und wenden „sich mit Nachdruck gegen eine Dienstpflicht für Frauen“. Nachdem in der letzten Zeit im Blick auf Kriegsdienstverweigerung und Zivildienst viel Unsinniges zur Diskussion gestellt wird — gerade auch manche sozialdemokratische Forderungen gehören in diese Kategorie —, scheinen mir folgende Klarstellungen notwendig:

Den Zivildienst gibt es nur, weil es die Wehrpflicht gibt. Ausschließlich im Ersatzcharakter für den verweigerten Kriegsdienst bei der Bundeswehr liegt seine Berechtigung, gerade auch in verfassungsrechtlicher Hinsicht. Eine eigenständige (Zivil-)Dienstpflicht verbietet das Grundgesetz im Artikel 12 Absatz 2 kategorisch. Dieses Verbot ist die Antwort auf die verbrecherischen Dienstpflichten und die Zwangsarbeit in Nazi-Deutschland. Wer — wie die Sozialdemokraten — einen „echten Zivildienst“ will, der müßte also die Verfassung ändern. Das ist die Rechtslage.

Inhaltich-politisch gilt: Eine eigenständige Dienstpflicht hätte, wenn überhaupt, nur dann eine Berechtigung, wenn ihr einziger Inhalt das Grundanliegen der Kriegsdienstverweigerung umsetzen würde: die Abschaffung von Militär und Wehrpflicht, und die effektive Verhinderung jeglicher Kriegsvorbereitung. Und dazu hat der damalige sozialdemokratische Bundesbeauftragte für den Zivildienst, Hans Iven, geradezu klassisch und nach wie vor gültig in einem 'Spiegel‘-Interview 1978 (Heft 6, Seite 52 ff) formuliert: „Aber jene, die den Zivildienst als eine Alternative gegen den Wehrdienst ausgestaltet wissen wollen, finden in mir keinen Partner; sie können von diesem Staat nicht verlangen, daß er auf der einen Seite zur Gewährleistung der äußeren Sicherheit größere finanzielle, organisatorische und personelle Anstrengungen macht und auf der anderen Seite dazu beiträgt, daß alles wieder in Frage gestellt, angegriffen, zerstört und beseitigt werden soll.“

In dieser Logik liegt es auch, daß alle Kriegsdienstverweigerer und Zivildienstleistenden militärisch verplant sind. Die SPD-Forderung nach einem „echten Zivildienst“ ist deshalb genauso Humbug wie die Kirchenforderung nach einen „sozialen Friedensdienst“. Dem Staatsverständnis von beiden scheint es damit aber offenbar zu entsprechen, daß Zwangsdienste grundsätzlich ein legitimes Mittel sind. Die Ablehnung einer Dienstpflicht für Frauen ist lediglich taktisch bedingt.

Für „echte“ Kriegsdienstverweigerer und „echte“ PazifistInnen ist die prinzipielle Forderung die nach sofortiger Abschaffung der Wehrpflicht — und aller Zwangsdienste — als erstem Schritt zur Abschaffung des Militärs. Ein sinnvoller und glaubwürdiger Handlungsansatz zur Durchsetzung dieser Forderung ist die totale Kriegsdienstverweigerung. Stefan Philipp, Geschäftsführer des DFG-VK-Solidaritätsfonds für Totale Kriegsdienstverweigerer

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