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„Wir sind Arbeiter und können uns keine Mätzchen leisten“

■ Die sowjetischen Bergarbeiter gründen in Donezk ihre eigene Gewerkschaft/ Kein Vertrauen mehr in den alten Gewerkschaftsapparat/ Ausschüsse arbeiten an Gewerkschaftsneugründung/ Planung soll noch diesen Monat abgeschlossen werden INTERVIEW

Während die offiziellen Gewerkschaften ihre alte Zentrale abgeschafft haben und eine Konföderation auf freiwilliger Grundlage bilden wollen, tagte in Donetzk der Gründungskongreß für eine unabhängige Bergarbeitergewerkschaft. Die taz sprach mit Iwan Dmitrijewitsch Chadjinow, Hauer und Mitglied des Streikkomitees von Donezk, Ukraine.

taz: Worin erblicken Sie den wichtigsten Unterschied zwischen Ihrem Kongreß und dem Gewerkschaftskongreß im Kreml?

Iwan Chadjinow: In dem vollständig berufsbezogenen Charakter unserer Versammlung. Hier sind wirklich nur Bergleute aus dem Kohlesektor versammelt.

Wie beurteilen Sie die Chancen für eine solche Gründung und wielange werden Sie dafür brauchen?

An der Gewerkschaftsgründung wird konkret in den Ausschüssen gearbeitet, d.h. an den Entwürfen für Programm und Statut. Wir wollen wie geplant bis zum 26. fertigwerden.

Wie stellen Sie sich zu dem Telegramm Präsident Gorbatschows an Ihren Kongreß und zu seiner Aufforderung, ihn beim Übergang zur Marktwirtschaft zu unterstützen?

Ich versuche, das möglichst milde auszudrücken. Gorbatschow redet mit Allen und schickt auch an alle möglichen Kongresse Telegramme. Wir hier aber verfügen über eine große Erfahrung, in Donezk sind jetzt 900 Repräsentanten von insgesamt 64 Bergbautrusts vereint, wir haben schon sehr schwierige Situationen gemeinsam durchgemacht und ich glaube, daß wir auch jetzt besser als Gorbatschow wissen, was uns nottut. Es kommt uns darauf an, uns und unsere Kollegen in der Phase des Übergangs zur Marktwirtschaft zu schützen. Praktisch sind die Gruben bisher leider weder auf Selbständigkeit noch auf den Markt vorbereitet und können es auch gar nicht sein. Sie sind viel zu stark mit Staatsbetrieben vernetzt, die auch weiterhin für den rein staatlichen Bedarf arbeiten.

Auf Ihrem Kongreß sind ja Gruben mit sehr verschiedenen Standortbedingungen und verschiendenstem technischen Standard vertreten. Was ist denn Ihr kleinster gemeinsamer Nenner?

Der besteht in der ministeriellen Administration, der wir alle unterstellt sind. Um derart verschiedene Betriebe zentral zu leiten, braucht man erstens sehr viel Köpfchen und zweitens gute Computer, dort aber fehlt es an beidem. Es ist, als ob bei einem einzigen, hoffnungslos überforderten Mann alle Fäden zusammenliefen. Eine der wichtigsten Forderungen des Streiks im letzten Sommer war zum Beispiel, die Sicherheit der Arbeit unter Tage zu gewährleisten. Dies ist der Regierung noch immer nicht gelungen. So haben wir jetzt aus dem Donbass eine eigene Expedition aus Bergleuten losgeschickt, die uns mit Grubenholz für Abstützbalken versorgen soll.

Denken auch Sie daran, Ihre Gewerkschaft z. B. nach dem Nationalitätenprinzip zu gliedern?

Wir finden das föderale Prinzip nicht schlecht, das der gesamtsowjetische Gewerkschaftsverband jetzt eingeführt hat, aber das kann nicht bedeuten, daß wir in seinen Schoß zurückkehren. Wir wissen, wo das endet. Natürlich sitzen hier die Vertreter der verschiedensten Nationalitäten zusammen – ich selbst bin griechisch-tartarischer Herkunft —, und wir haben alle bestimmte Vorstellungen davon, wie unser jeweiliger künftiger Heimatstaat aussehen soll. Auch die Anhänger verschiedenster Parteien gibt es unter uns. Aber ich kann nicht sagen, daß dies alles unsere Diskussion beeinträchtigt. Wir können uns keine Mätzchen leisten, denn wir sind alle Arbeiter, und für uns ist es jetzt eine Lebensfrage, den Übergang zum Markt gemeinsam zu bewältigen. Interview: Barbara Kerneck.

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