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Von der Geschichte überholt

■ „Tatort: Unter Brüdern“, Sonntag, ARD, 20.15 Uhr

Herr Huber kann sich seinen Namen nicht merken. Noch schwerer fällt es ihm, den seines Partners zu behalten. Immer wenn Herr Koslowski am Telefon oder an der Hotelrezeption verlangt wird, fragt Herr Huber ungläubig: „Wer?“ Erst dann dämmert ihm, daß mit Koslowski niemand anderer als sein Freund und Kollege Thanner gemeint sein kann, und er als Herr Huber nicht im Parka, sondern wie eine „Stasi-Tucke“ im Designer-Anzug durchs Grand Hotel in Ost-Berlin stakst. Rollentausch bei Schimanski: Da mußte dank Mauerfall erst eine deutsch-deutsche Zusammenarbeit zwischen Tatort und Polizeiruf 110 entstehen, damit sich der Duisburger Hauruck-Kommissar von seinem Klischee des ewig verschwitzten Muskelprotzes befreien kann. Schade nur, wie überdeutlich schon dieser Tatort von leisem Abschiedsschmerz durchzogen ist. Es muß wohl ein ehernes Gesetz des Fernsehens sein, daß Serienhelden immer erst beim Auslaufen derselben zu Höchstform auflaufen, weil sie befreiter spielen können.

Der erste Witz schmerzt: Hänschen hockt bei der Kripo Duisburg und will die bevorstehende Zusammenarbeit mit den DDR-Bullen anleiern. „Deutschland, einig Vaterland, haben die denn überhaupt einen Fax?“, spult der Holländer einen Gag mit Dreitagebart ab. Und auch der erste Kommentar des väterlichen Kripo-Genossen Fuchs auf der anderen deutschen Seite liegt jenseits von Gut und Böse: Auf die Auskunft des Kollegen, die Duisburger Polizei habe die Leiche eines DDR-Bürgers aus dem Wasser gefischt, fällt dem gewendeten Kommissar nur ein: „Duisburg liegt doch nicht am Meer.“

Nach diesem Vorgeplänkel der ganz dümmlichen Art gewinnt der Humor Kontur. Nur so lassen sich die Zustände zwischen Stasi und Stumpfsinn in der Noch-DDR schildern, ohne in die bekannten moralinsauren Predigten über ein marodes Regime zu verfallen. Nie war Schimanski so komisch, nie war er derart ironisch, ja, die Parodie seiner selbst und damit größer denn je. Natürlich leidet darunter die Handlung, deren dramaturgische Schwächen uns in umständlichen Ellipsen auf die Spur eines deutsch-deutschen Kunstdeals und dessen vorhersehbare Enttarnung führen. Aber daran hat man sich ja inzwischen gewöhnt. Warum sollte man sich an eine ehrliche Story klammern, wenn es doch viel schöner ist, das Sondereinsatzkommando der DDR-Polizei dabei zu beobachten, wie es Banditen mit der Steinschleuder schachmatt setzt?

Eine völlige musikalische Fehlbesetzung ist allerdings das Duo Infernale Klaus Lage und Dieter Dehm. Der feiste Nickelbrillen-Knödler hat jetzt „Faust auf Faust“ seine Wurstfinger entknotet, um uns nun im Titelsong „Hand in Hand“ den Schmalz aus den Ohren zu treiben. Dafür sollte man ihn und seinen Texter Dieter Dehm so lange mit Heino zusammensperren, bis alle drei nicht mehr wissen, wessen Lied sie da nun singen. Christof Boy

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