: Gegen Dummheit hilft kein Netz
1. FC Kaiserslautern — Wattenscheid 09 1:1/ Lauterer Punktgewinn gegen den forschen Aufsteiger/ Feuerzeugwurf gegen Schiedsrichter Umbach sorgte fast für Spielabbruch ■ Von Günter Rohrbacher-List
Betzenberg (taz) — „Nie mehr SV Waldhof, nie mehr, nie mehr“, ist einer der Gesänge aus der Lauterer Westkurve, wenn es bei den Pfälzern läuft, der Gegner geschlagen ist und der FCK oben steht. Gegen den Aufsteiger Wattenscheid 09 war es still: keine Schmähung der Kurpfälzer Ex-Rivalen, keine „la ola“-Welle. Nein, die stärkste Auswärtsmannschaft der Liga, mit drei Siegen auf fremden Plätzen, zeigte dem Tabellenzweiten die Grenzen, ging verdient in Führung, hielt das Spiel auch nach dem frühen Ausgleich jederzeit offen und keiner hätte sich beklagen können, wären die Wattenscheider als Sieger nach Hause gefahren.
Kaiserslautern, von Verletzungen und Hinausstellungen wichtiger Spieler arg gebeutelt, mußte mit Robby Zimmermann gar einen Amateur aus dem Oberligateam auf die Bank setzen. Mitte der Woche waren Stefan Kuntz und Frank Lelle im Saarbrücker Winterberg-Krankenhaus an ihren Knien operiert worden und beobachteten das muntere Hin und Her mit dem Revierclub vom Bett aus am Monitor. Verletzt waren auch Roger Lutz und Reinhard Stumpf, wegen Rot mußten Demir Hotic und Rainer Ernst zuschauen.
Auch letztes Jahr gab es eine Mannschaft, die nach zirka zwei Dritteln der Spielrunde nach einem UEFA-Cup-Platz schielte, dann Verletzungen und Sperren en masse zu beklagen hatte und schließlich nach 3:21 Punkten in die zweite Liga abstieg: den SV Waldhof. Den Lauterern droht dieses Schicksal nicht: Muß ein roter Teufel ins Bett oder auf die gelb-rote Bank, steht der nächste da, bereit, sein Unwesen zu treiben, sprich: den Gegner zu entmutigen, ihn die „höllische Atmosphäre“ am Betzenberg spüren zu lassen, die so viele Gäste in der noch kurzen Saison hinterher als Entschuldigung für ihre Niederlagen anführten, um von ihrer eigenen Unfähigkeit abzulenken. Voran Dieter Hoeneß und Vujadin Boskov.
Einen Wattenscheider, der eine Halbzeit auf der Bank und eine mit Warmlaufen verbrachte, hätten die Lauterer ob ihrer Misere gern wieder in ihren Reihen aufgenommen: Harald Kohr, im Juni 1989 zuletzt im FCK-Dreß, bis vor kurzem beim FC Zürich untergetaucht und kürzlich aus der Schweiz wegen Vergehens gegen das dortige Ausländergesetz ausgewiesen. Er fand Aufnahme bei seinem alten Trainer aus Lauterer Zeiten, bei Hannes Bongartz, der im Herbst 1988 vorzeitig den Betzenberg verlassen mußte, und der mit Hans-Werner Moser, Stefan Emmerling und Frank Hartmann drei weitere Ex-FCKler spielen ließ. Und jener Frank Hartmann, nicht ganz zufrieden vom Betzenberg herabgestiegen, schockte die Lauterer. Sane ließ den Ball passieren, Hartmann seinen Gegenspieler Markus Kranz stehen, nach zwölf Minuten hieß es 0:1. Nach einer halben Stunde stand das Endergebnis fest. Labbadia hatte aufgelegt, Haber den Ball direkt genommen.
Großen Anteil am Zustandekommen des Ausgleichstores hatte der Schiedsrichter. Hätte er es so manchem Balltreter nachgemacht, der sich schon bei kleinsten Rangeleien auf dem Boden wälzt und den „toten Mann“ markiert, wäre das Spiel nach einer Viertelstunde abgebrochen worden. Da nämlich wurde Dr. Umbach in Nähe der Eckfahne von einem Feuerzeug aus der Fankurve am Kopf getroffen. Da man dies aus der Ferne kaum sehen konnte, glaubten viele der 28.000 Zuschauer, den Referee habe der Herztod ereilt, denn er fiel um wie ein Baum. Nach dem Zwischenfall wurden die grünen Fangnetze vor der Fankurve wieder hochgezogen, gerade erst zu Beginn der Saison waren sie wegen „guter Führung“ entfernt worden.
Gegen üble rassistische Parolen helfen keine Netze. Souleyman Sane mußte ein weiteres Mal Schmähungen ertragen: „Haut den Neger um!“ Pädagogisches Geschick bewies Stadionsprecher Udo Scholz. Nach seiner Ermahnung verstummten die alkoholisierten Kehlen. Und nach dem K.o. des Dr. Umbach strafte Udo, von so viel Dummheit auf einem Haufen enttäuscht, seine Schäfchen mit den Netzen. Die werden nun wohl ewig bleiben.
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