piwik no script img

„Frauen mit Biß“

■ Herbsttreffen der Medienfrauen verleiht Saure Gurke an SDR-Chefredaktuer Ernst Elitz

Daß die amerikanischen Soldatinnen in der saudi-arabischen Wüste „nicht so unter bestimmenten Entbehrungen wie ihre männlichen Kollegen leiden“, ist Frauenexperte Ernst Elitz, Chefredakteur des Süddeutschen Rundsfunks, klar. Auch als Mädchenkenner erweist sich Elitz als Profi, wenn er am 16.9.1990 im Weltspiegel moderiert: „Ein Mädchen, das sich verkaufen läßt, ist in Thailand so gut wie ein Bausparvertrag.“

Dieser Elitzsche Erguß beeindruckte die 250 Teilnehmerinnen des 13.Herbsttreffens der Frauen in den Medien in Köln am vergangenen Wochenende außerordentlich. Sie verliehen dem Chefredaktuer die „Saure Gurke“, den Wanderpreis der Medienfrauen für die frauenfeindlichste Sendung des Jahres.

Darüber hinaus empfehlen die Medienfrauen das Kanapee dem Landesrechnungshof zur Prüfung. Bei der von Sportredakteur Jörg Wontorra moderierten Primitiv- Show, mit der Radio Bremen auf RTL-„Tutti Frutti“ antwortet, bestehe der dringende Verdacht der Verschwendung von Rundfunkgebühren.

Am Herbsttreffen, das die Frauengruppen von ARD und ZDF in wechselnden Städten seit 1978 ausrichten, nahmen in diesem Jahr in Köln erstmals Journalistinnen, Cutterinnen, Dramaturginnen und Filmemacherinnen teil.

Eröffnet wurde die Tagung der „Frauen mit Biß“ mit einem Erfahrungsbericht von Rita Zimmermann, die als erste und bislang einzige hauptamtliche Frauenbeauftragte im öffentlich-rechtlichen Rundfunk dafür sorgt, daß zumindest im WDR die Frauen nicht mehr zu kurz kommen.

Erste Erfolge werden sichtbar: 1989 wurden im WDR von 183 neuen Stellen 143 mit Frauen besetzt. Auch da, wo Prestige und hohes Salär winken, bei den RedakteurInnen nämlich, haben Frauen um 1,5 Prozent zugelegt. Sie stellen somit ein Viertel der programmverantwortlich Tätigen. Durchquotiert wurde bislang noch nicht in den Führungsetagen.

Es gibt weitere Ausnahmen: So ist die Sportberichterstattung immer noch ein Männerkränzchen, weswegen Rita Zimmermann auch händeringend nach qualifizierten Sportjournalistinnen sucht. Daß es kaum Frauen im öffentlich-rechtlichen Sportjournalismus gibt, kann nicht wundern, hätten sie doch Chefs wie Jörg Wontorra, der nämlich nicht nur Erotik-Moderator, sondern auch Leiter des Ressorts Sport bei Radio Bremen ist.

Eine gute Nachricht: Im Süddeutschen Rundfunk wie im WDR haben die Frauen nach jahrelangem Tauziehen betrieseigene Kindergärten durchgesetzt. Davon können die bayerischen Kolleginnen nur träumen — im Freistaat wird weder quotiert noch gefördert. In sechs von elf öffentlich-rechtlichen Sendern existieren mittlerweile Frauenförderungspläne, die von bloßen Absichtserklärungen bis zu verbindlichen Quotierungsvorschriften reichen.

Pläne wünschen sich auch die Kolleginnen aus der ehemaligen DDR. „Bei uns werden Journalistinnen im Moment höchstens planlos hinausbefördert.“ War der Journalismus in der DDR auch ein Frauenberuf, so scheint hier jetzt eine schnelle Angleichung an die bundesrepublikanischen Verhältnisse stattzufinden. „Zwei Drittel der Kündigungen in unserem Sender gingen an Frauen“, berichtete Tanja Braumann von Radio Lila bei dt 64, Jugendradio des Deutschen Fernsehfunks in Berlin. „Waren wir früher unbeliebt, so ist das Prestige des Berufes seit der Wende enorm gestiegen“, erklärt eine Ost-Kollegin. Kein Wunder, daß damit der Journalismus für Männer attraktiver wird.

Gewidmet war dem Thema Ost- West-Journalismus auf der Frauen- Medien-Tagung eine einzige Podiumsdiskussion; Arbeitsgruppen hierzu gab es nicht. So mag sich manche Ost-Kollegin in den Arbeitsgruppen eher deplaciert gefühlt haben: sensible Themen wie „Liebsein kann ich nicht — streiten will ich nicht“ angesichts drohender Massenentlassungen zu analysieren, gehörte am vergangenen Wochenende nicht zu ihren vordringlichsten Problemen. Näher lag da schon ein Ausflug nach Bonn. Unbeteiligt waren sie auch in der abendlichen Diskussion der Journalistinnen mit der Berliner Professorin Christina Thürmer-Ruhr. Mittäterinnenschaft, Dissidentinnentum und weibliche Moral sind wohl Begriffe westlich-feministischer Auseinandersetzung.

Einigkeit herrschte dagegen bei den medienschaffenden Frauen darüber, daß in der deutsch-deutschen Berichterstattung des vergangenen Jahres weibliche Lebenswirklichkeit nicht dargestellt wurde. Dies beträfe aktuelle Sendungen wie politische Magazine und Hintergrundberichterstattung. Sie fordern die Verantwortlichen aus ARD und ZDF, Hartwig Kelm und Dieter Stolte, auf, endlich „der gesetzlichen Verpflichtung wenigstens zur Grundversorgung“ in Sachen Frauenberichterstattung nachzukommen.

„Frauen mit Biß“ sollten es sein, die sich zum 13. Herbsttreffen der Frauen in den Medien in Köln trafen. Den Veranstalterinnen schwebte dabei wohl die Bissigkeit der frechen Funkfrauen von einst vor, die Frauenförderpläne entwarfen und ihre Intendanten noch an den Verhandlungstisch zwangen. Doch die Reihen lichten sich, wie eine Bestandsaufnahme der Frauengruppen in den Sendern ergab.

Ilona Kalmbach & Anne Schmidt

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen