piwik no script img

»Ich werde meine Wähler nicht im Stich lassen«

■ Die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts zum Ausländerwahlrecht stößt auf Empörung bei ausländischen Bezirksverordneten in Ost-Berlin/ Ein wichtiges Signal in Zeiten zunehmender Ausländerfeindlichkeit INTERVIEW

Ein Gespräch mit Oja Leiterer, mongolische Staatsbürgerin und seit dem 6. Mai SPD-Abgeordnete in der Stadtbezirksverordnetenversammlung von Berlin-Pankow. Die Physikerin ist mit einem Deutschen verheiratet und hat zwei Kinder.

taz: Laut Urteil des Bundesverfassungsgerichts zum kommunalen Ausländerwahlrecht war Ihre Wahl zur Stadtbezirksverordneten ein Verstoß gegen die Verfassung...

Oja Leiterer: Ich bin über diese Entscheidung ziemlich entsetzt und traurig. Wenigstens auf kommunaler Ebene sollte es eigentlich selbstverständlich sein, daß Ausländer die Politik mitbestimmen sollen. Wer, wenn nicht ich, soll denn versuchen, die Interessen meiner Kinder zu vertreten? Außerdem halte ich dieses Mandat gerade in Zeiten einer zunehmenden Ausländerfeindlichkeit für sehr wichtig. Ausländerfeindlichkeit hat es hier immer gegeben, aber sie äußert sich jetzt ziemlich massiv — auch im Vergleich zum Westen. Ausländerwahlrecht und ausländische Mandatsträger sind gerade jetzt ein wichtiges Signal. Was aus meinem Mandat jetzt wird, weiß ich nicht.

Haben Sie während ihres Wahlkampfs im April und Mai oft Argumente gegen das Ausländerwahlrecht gehört?

Im Bezirk keine Probleme

Klar, die gab es schon. Das hat sich in längeren Gesprächen mit den Betreffenden aber meist erledigt. Sobald die merken, daß ich eigentlich die gleichen Probleme habe wie sie, verliert sich diese Ablehnung. Aber eine lange Unterhaltung war schon immer nötig. Ich habe ja einen Türklinkenwahlkampf gemacht, bin auf Versammlungen und Veranstaltungen aufgetreten, die Leute wußten also sehr genau, wen sie da wählen. Jetzt als Bezirksverordnete gibt es da keine Probleme. Ich mache zum Beispiel regelmäßig Beratung für Rentner, die akzeptieren mich vorbehaltlos. Das gilt übrigens auch für die alten Leute aus dem Wedding, die zu mir kommen. Wenn ich jetzt mein Mandat niederlegen müßte, wäre das wirklich Betrug an meinen Wählern.

Was sagen Ihre Fraktionskollegen und die anderen ausländischen Abgeordneten zu dem Karlsruher Richterspruch?

Viele haben in ihrer Naivität geglaubt, so eine Entscheidung könne es gar nicht geben...

...weil die Bundesrepublik immer Sinnbild für Demokratie war?

Viele waren naiv...

Ja. Ich hatte allerdings befürchtet, daß das kommunale Ausländerwahlrecht abgelehnt würde.

Was sagen Sie denn zum Wahlkampf der CDU, die mit Plakaten und Sprüchen ganz massiv gegen das Ausländerwahlrecht mobilisiert?

Ich kenne in der CDU auch ganz verständnisvolle Leute, die uns durchaus zuhören. Aber im Moment haben da wohl andere das sagen.

Wie soll es jetzt weitergehen?

Keine Ahnung. Wir werden überlegen, was zu tun ist. Ich werde jedenfalls meine Wähler nicht im Stich lassen. Außerdem bin ich die einzige Frau aus meinem Wahlkreis. Interview: Andrea Böhm

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen