KOMMENTAR
: Rechtsbeugung

■ Im Schmücker-Prozeß behinderten die Richter die Wahrheitsfindung

Die Kette der Skandale um den Schmücker- Prozeß scheint nicht enden zu wollen. Nach der Einschleusung eines V-Mannes in die Kanzlei der VerteidigerInnen, der Weigerung der Verfassungsschützer, wichtige Akten freizugeben, den Millionen, die der Verfassungsschutz für die „Sicherheit“ seiner Mitarbeiter ausgeben mußte und dem illegalen Abhören der Telefonate der Anwälte mit ihren Klienten ist nun auch die letzte Bastion rechtsstaatlicher Prozesse geschleift worden. Selbst das vermeintlich unabhängige Gericht war in Machenschaften des Berliner Verfassungsschutzes verstrickt. Daß je einer der Verantwortlichen dafür noch zur Rechenschaft gezogen wird, scheint wenig wahrscheinlich. Der Straftatbestand der Rechtsbeugung müßte wie der der Strafvereitelung verjährt sein. Allenfalls könnten diejenigen belangt werden, die noch in diesem Jahr unter Eid vor dem parlamentarischen Untersuchungsausschuß die Unwahrheit gesagt haben. Auch wenn die Urteile aus den bisherigen Verfahren allesamt vom Bundesgerichtshof aufgehoben wurden, wirft die richterliche Verstrickung lange Schatten auf den laufenden Prozeß. Wer kann heute noch urteilen, welche Informationen die Strafverfolgungsbehörden legal erhalten haben und welche ihnen illegal zugeschoben wurden. Die Vertuschungsaktionen wurden seit Jahren auf allen Ebenen geführt: auf der des Verfassungschutzes, der Staatsanwaltschaft, des Innen- und Justizsenates. Ein „faires“ Vefahren kann es heute deshalb nicht mehr geben. Und hätten die Richter 1978 ihre Kenntnisse über die unterdrückten Akten zum Anlaß neuer Ermittlungen genommen, wäre das Verfahren ausgerechnet in der Abteilung der Staatsanwaltschaft gelandet, die dafür verantwortlich zeichnete. Ein Treppenwitz.

Die Anwälte der Beschuldigten haben zu Beginn der laufenden Prozeßrunde nachdrücklich die Einstellung des Verfahrens gefordert. Mit den jetzt bekanntgewordenen Manipulationen durch das Gericht ist ihre Argumentation nur voll bestätigt worden. Wolfgang Gast