: Schlange stehen vor Ost-Sparkassen
■ Seit Montag nimmt die Ost-Post auf Weisung der Bundesbank keine Sparkassenschecks mehr entgegen
Ost-Berlin. Egbert Meyer aus dem Bezirk Mitte, der in einer der endlosen Schlangen in der Sparkassenfiliale am Alexanderplatz steht, ist äußerst erregt: »Nun steh ick hier schon eene dreiviertel Stunde und bin imma noch nicht dran! Dabei brauch' ick doch bloß hundert Mark zum Einkoofen!«
So wie Herrn Meyer geht es seit Montag vielen Ostberlinern, die »mal schnell einen Scheck einlösen« wollten. Bisher nämlich war es möglich, innerhalb des Freizügigkeitsverkehrs einen Scheck — von welchem Ost-Kreditinstitut auch immer — an einem Schalter der Deutschen Post einzulösen. Damit ist seit Montag Schluß. Laut einer Anweisung der Bundesbank werden nun auch im Beitrittsgebiet Barschecks nur noch von Banken und Sparkassen eingelöst. Die Mehrbelastung der Kreditinstitute ist erheblich: In den Filialen stauen sich wie weiland zur Währungsumstellung Hunderte von Kunden, die an ihr Geld wollen.
»Wir haben von dem Beschluß der Bundesbank erst aus der Zeitung erfahren«, klagt Dörte Dünnbier von der Sparkasse am Alexanderplatz. Nun hatte man es endlich geschafft, die seit der Währungsunion vorhandenen Schlangen in den Schalterräumen zu kanalisieren und abzubauen — um nun wieder vor dem gleichen Problem zu stehen. So standen gestern nachmittag vor dem Schaltercontainer der Westberliner Sparkasse bis zu 70 Menschen nach ihrem Geld an. »Wir wissen beim besten Willen nicht mehr, wie wir den Ansturm bewältigen sollen«, sagt Frau Dünnbier zur taz. Die Möglichkeiten, Schnellkassen einzurichten, seien so gut wie erschöpft. Es fehle an allen Ecken und Enden qualifiziertes Personal, ausgebildete Bankkaufleute seien praktisch nicht mehr aufzutreiben.
Auch die in und um die Filiale aufgestellten Geldautomaten schaffen keine Entlastung — die meiste Zeit sind sie außer Betrieb. »Der Hersteller«, so Dörte Dünnbier, »hatte uns seinerzeit versprochen, die Automaten bis zur Währungsunion auf DM umzustellen. Eingehalten worden sei das allerdings nicht. Die Geldautomaten, die ursprünglich für die kleineren und dünneren DDR- Geldscheine konstruiert worden seien, kämen mit den neuen Banknoten nicht klar. Und seit die ehemalige Staatsbank der DDR, die einst die Automaten aufstellen ließ, nicht mehr existiert, gebe es praktisch keinen funktionierenden Service mehr für die Geräte. So seien für die Geldautomaten rund um den Alex lediglich zwei Mitarbeiter vorhanden, die »nebenher« auch Kunden bedienen, Geldkartenanträge und anderes bearbeiten müßten.
Aus all diesen Gründen werde man die alten Automaten »made in GDR« so schnell wie möglich aus dem Verkehr ziehen und auf das im Westen übliche Eurocheque-System umsteigen. Der Inhaber einer Eurocheque-Karte ist in der Lage, überall in Europa über sein Geld zu verfügen. »Für unsere Kunden hier in Ost- Berlin«, so erklärt Frau Dünnbier, »die bereits eine DDR-Geldkarte besitzen, werden wir die Eurocard zum Sondertarif von fünf Mark abgeben.« Da aber auch in diesem Fall mit längeren Bearbeitungsfristen zu rechnen ist, werde man die Kunden einzeln anschreiben, um einen halbwegs geordneten Ablauf des Geldkartenaustausches zu gewähleisten. Olaf Kampmann
Hinweis für alle, die keine Lust haben, nach ihrem Geld Schlange zu stehen: Die Westberliner Sparkasse nimmt Barschecks ihrer Partnerinstitution im Osten entgegen!
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