: Der bekannteste Rassist Israels wurde erschossen
■ „Rabbi“ Meir Kahane kam erst 1971 nach Israel, wo er fanatisch für die Vertreibung aller Araber eintrat PORTRAIT
Berlin (taz) — Er forderte, alle Palästinenser aus den von Israel besetzten Gebieten in die arabischen Nachbarländer zu deportieren — da sei schließlich Platz genug. Er verlangte, arabische Kaufleute zu boykottieren und nur bei Juden zu kaufen — die Araber hätten in Israel nichts zu suchen. Er und seine Anhänger verteilten in Jerusalem Flugblätter und forderten ein Gesetz, sexuelle Beziehungen zwischen Juden und Nichtjuden mit fünf Jahren Gefängnis zu bestrafen — solch sexueller Verkehr sei „unrein“. Meir Kahane, der bekannteste Rassist Israels, der „jüdische Nazi“ (Uri Avneri), ist tot.
Im Ausland taugte Kahane in den letzten Jahren als Vorzeigefigur für israelischen Rechtsextremismus, dafür, wohin die Gesellschaft sich nach 40 Jahren entwickelt habe. Doch so wenig Kahane die israelische Gesellschaft insgesamt repräsentierte, so wenig hat seine politische Biographie mit der Entwicklung des jüdischen Staates zu tun. Der politische Überzeugungstäter mit pathologischen Zügen emigrierte erst 1971 nach Israel, als der Staat längst etabliert war. Als „Rabbi“ Meir Kahane wurde er bekannt. Der 1932 in New York geborene Sohn eines fanatischen Revisionisten approbierte zwar zum Rabbiner, doch keine jüdische Gemeinde behielt ihn für längere Zeit. Seine politische Karriere begann zur Zeit der Anti-Vietnam- Bewegung in den USA. Unter dem Pseudonym „Michael King“ schrieb er für die Zeitung 'Jewish Press‘, gleichzeitig arbeitete er mit seinem Freund Joseph Churba in einem dubiosen Beratungsbüro gegen die Antikriegsbewegung zusammen, dem Kontakte mit dem FBI nachgesagt wurden. Aus „Michael King“ wurde 1968 wieder Meir Kahane. Er gründete die „Jewish Defense League“ („Jüdische Verteidigungsliga“). Die Gruppe gab vor, amerikanische Juden vor antisemitischen Gewalttaten und den Black Panthern schützen zu wollen — ein simpler Propagandatrick. Tatsächlich gingen die Rechtsradikalen mit Gewalt in Schwarzenvierteln gegen die Bewohner vor, warfen Stinkbomben gegen sowjetische Diplomaten und Künstler. Erst im September 1971 fiel Kahane ein, sein Glück in Israel auszuprobieren. Seinen Namen behielt er diesmal bei, doch die Gruppe hieß nun Kach (hebräisch für „so“). Als Prügeltruppe gegen jüdische Intellektuelle, arabische Studenten und linke Demonstranten blieb der Verein zunächst unbedeutend und isoliert. In einem eigenen „Museum“ in Jerusalem wurden Nazi-Greueltaten, arabischer „Terror“, Ku-Klux-Klan-Aktivitäten und angeblich antisemitische Aktionen schwarzer Bürgerrechtler „dokumentiert“. Gleichzeitig instrumentalisierte er die jüdische Religion für seine Zwecke: „Die Vertreibung der Araber ist mehr als eine politische Handlung, sie ist ein religiöser Akt“, heißt es in einem Buch Kahanes. Die Botschaft appellierte an jüdische Ängste und empfahl als Lösung, vom Opfer zum unumschränkten Herrscher zu werden. Mit rudernden Armen und fanatischer Stimmlage hielt Kahane damals regelmäßig vor wenigen Zuhörern Vorträge für ein „Groß-Israel“. Als Vorbild diente ihm bis zum Schluß Spanien, wo den Christen „erfolgreich“ die Vertreibung aller Muslime gelungen war.
Nach drei Anläufen wurde Kahane 1984 zum allgemeinen Entsetzen des Establishments in die Knesset gewählt. Er erhielt nur 1,24 Prozent der Stimmen. Doch in den jüdischen Siedlungen in den besetzten Gebieten wählten ihn rund sechs Prozent. Demokratie, so seine Predigten, müsse hinter den Interessen von Groß-Israel zurückstehen. Die „Schande für unsere Demokratie“ (Jerusalems Bürgermeister Teddy Kolleg) wäre vermutlich auch 1988 wieder in die Knesset eingezogen, wenn eine Veränderung des Wahlgesetzes gegen rassistische Parteien Kahane nicht die rote Karte gezeigt hätte. Bei einer Demonstration im Juli 1989 führte Kahane seine Anhänger mit den Worten: „Ich will die Araber draußen sehen. Ich wünsche ihnen, daß sie glücklich mit ihren Brüdern in Beirut zusammenleben können.“ Klaus Hillenbrand
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