: Treuhand-Chef umwirbt den DGB
Gewerkschafter klagen mangelnde Mitbestimmung in der Treuhand an/ Künftig vier DGB-Vertreter im 23köpfigen Verwaltungsrat/ Treuhänder Rohwedder: „Keine Politik der verbrannten Erde“ ■ Aus Düsseldorf Walter Jakobs
Der alte und auch künftige Chef der Berliner Treuhandanstalt, Detlef Rohwedder, erhält einen bis Ende 1994 laufenden Vierjahresvertrag. Dies kündigte der zuständige Personalchef Alexander Koch gestern bei der Vorstellung neuer West-Manager für die Zentrale in Berlin und den 15 Niederlassungen an. Mehr als 100 sollen ab kommender Woche ihre Arbeit in den neuen Bundesländern beginnen. Bei der Treuhand sind jetzt 900 Mitarbeiter eingestellt, etwa 360 davon aus dem Westen. Allein für Berlin werden 500 weitere gebraucht.
Treuhandchef Rohwedder hat vor dem Bundesausschuß des Deutschen Gewerkschaftsbundes (DGB) gestern dafür geworben, daß der DGB die Arbeit der Treuhand als „wohlwollend kritischer aber zugleich hilfreicher Partner“ begleiten möge. Der DGB könne darauf vertrauen, daß dem Treuhandvorstand die sozialpolitischen Vorstellungen des DGB „nicht fremd“ seien. Rohwedder, der wie die meisten Gewerkschaftsfunktionäre der SPD angehört, wörtlich: „Die Treuhandanstalt ist keine sozialpolitisch blinde Institution.“ Der Treuhand-Präsident äußerte die Hoffnung, daß es in der ehemaligen DDR gelingen könnte, „eine marktwirtschaftliche Ordnung zu schaffen, die ein Quentchen besser ist, als das, was wir hier haben; weniger oligopolistisch durchsetzt, verbraucherfreundlich, so, wie wir uns das in den Lehrbüchern immer vorgestellt haben.“ Deshalb werde die Treuhand bei der Privatisierung der volkseigenen Betriebe darauf achten, daß nicht neue oligopolistische oder gar monopolistische Marktstrukturen entstünden.
Neben der Privatisierung wolle die Treuhand auch künftig ihren Sanierungsauftrag erfüllen. Gegenüber den „Orthodoxen, die ja eine hohe Zahl von Betriebsschließungen vermissen“, stellte Rohwedder klar, daß „wir auch künftig nicht die Finger davon lassen“, die potentiell wettbewerbsfähigen Betriebe „in Ordnung zu bringen“. Darüber sei sich der Treuhandvorstand „vollkommen einig“. Bisher seien von der Treuhand für die Stillegung lediglich 40 Betriebe mit 40.000 Beschäftigten vorgeschlagen worden. Zwar scheue er im Einzelfall nicht den „harten Schnitt“, aber es werde mit ihm keine Politik „der verbrannten Erde“ geben. Denn aus seiner Zeit bei Hoesch in Dortmund wisse er, „wie schnell man einen Betrieb mit 1.000 Leuten schließen kann und wie unendlich schwer es ist, einen Betrieb für tausend Beschäftigte neu zu schaffen.“
Die bisherigen 16 Außenstellen der Treuhand sollen in „Niederlassungen“ mit erweiterten Kompetenzen umgewandelt werden. Gern sähe Rohwedder es, wenn jeder Niederlassung „Beiräte“, zusammengesetzt aus Betriebsräten, Gewerkschaftern, Kammervertretern „und Leuten aus der revolutionären Bewegung“, zugeordnet würden, die ein „Ambiente marktwirtschaftlicher Ordnung schaffen“.
Bei den Gewerkschaftern im Bundesausschuß reichten die Reaktionen auf Rohwedders Rede von verhaltener Zustimmung bis zur schroffen Ablehnung. Für das IG-Metall-Vorstandsmitglied Horst Klaus stellen die Beiräte nichts weiter als eine „Alibimitbestimmung“ dar. Sein Kollege Klaus Zwickel sieht in der Konstruktion der Treuhand die Gefahr, daß „damit der bisherige Mitbestimmungskompromiß infrage gestellt wird“.
Tatsächlich sind die Gewerkschaften in der größten Wirtschaftsholding der Welt bisher nicht vertreten. Inzwischen gibt es aber von der Bundesregierung das Signal, daß der DGB in den 23köpfigen Verwaltungsrat der Treuhand künftig auch vier Vertrter entsenden darf. Im Vergleich zu westlichen Mitbestimmungsmöglichkeiten in Aktiengesellschaften und GmbHs ist das für die meisten Gewerkschafter ein „nicht hinnehmbarer Rückschritt“. Dennoch forderte der IG-Chemie- Vorsitzende Hermann Rappe, der in den Verwaltungsrat einziehen wird, seine Kollegen inständig auf, „mit den Treuhand-Instanzen zusammenzuarbeiten“. Walter Jakobs
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