: Grüne klagen gegen NRW-Minister
Organklage der NRW-Grünen wegen Müllanzeigenkampagne der Regierung kurz vor Landtagswahl ■ Von Walter Jakobs
Düsseldorf (taz) — „Öfter mal Frisches taufrisch einfrieren statt einfach nur Aufgetautes aufzutischen ..., rät der Umweltminister in NRW“. So lautete einer von 12 „Müllspartips“, mit denen der nordrhein-westfälische Umweltminister Klaus Matthiesen sich Mitte des Jahres in Zeitungen, Funk und Fernsehen zu Wort meldete. Guter Rat ist teuer. Dieser hier kostete etwa 5 Mio. DM — Steuergelder. Geld, das nach Auffassung der NRW-Grünen nicht der Information zur Müllvermeidung, sondern in erster Linie der Profilierung des Ministers, der Wahlwerbung diente.
Weil der informative Gehalt der PR-Kampagne, so der grüne Fraktionsvorsitzende Michael Vesper, „gegen Null“ tendierte, sei gegen die vom Bundesverfassungsgericht gezogenen Grenzen für Regierungswerbung in Wahlkampfzeiten verstoßen worden. Tatsächlich erlahmte das Aufklärungsinteresse des Ministers exakt am 12. Mai 1990, einen Tag vor der Landtagswahl. Seitdem müssen die NRWlinge ohne den Rat aus Düsseldorf auskommen. Schon der Zeitplan der PR-Kampagne belegt für die Sprecherin der NRW- Grünen, Kerstin Müller, daß absolute Mehrheiten offenbar dazu verführen, „schamlos Steuermittel für Parteizwecke zu verwenden“.
Deshalb reichten die Grünen am Montag beim Verfassungsgerichtshof in Münster eine Organklage gegen den Minister ein. Basis der Klage bildet die Bundesverfassungsgerichtsentscheidung vom 2.3.1977. Damals urteilte das höchste Gericht: „Tritt der informative Gehalt einer Druckschrift oder Anzeige eindeutig hinter der reklamehaften Aufmachung zurück, kann das ein Anzeichen dafür sein, daß die Grenze zur unzulässigen Wahlwerbung überschritten ist.“
Genau dieser verbotenen Wahlbeeinflussung dienten nach Auffassung der Grünen, die im Wahlkampf insbesondere die Müllpolitik des Umweltministers im Visier hatten, die „Müllspartips“.
Für Matthiesen belegt die Klage indes, daß bei den Grünen „Totalverwirrung“ herrscht. Die Partei betreibe damit „das Geschäft der Verpackungsindustrie“. Ein Schuh, den sich die Grünen nicht anziehen mögen, denn eine „Abfallvermeidungskampagne, die den Namen verdient und an die wirklichen Müllproduzenten herangeht“, wollen sie „gern mitkonziperen“. Dafür, so Vesper, „kommt es uns auf ein paar Milliönchen nicht an“.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen