Kreuzberg unter dem Eiffelturm

■ Schülerdemonstration in Paris endete mit Plünderungen und Tumult/ Ghetto-Bewohner und Gymnasiasten Hand in Hand/ Die „Bewegung“ distanziert sich, die Regierung will verhandeln

Paris (taz) — Was nun? Ein deutscher Tourist kippt die Reste seiner Windschutzscheibe brav in einen Glascontainer, ein ausgeplünderter Bäcker ruft nach Le Pen und in einem verkohlten Peugeot quakt noch verendend die Sirene der Diebstahlsicherung. Die Großdemonstration der französischen Schüler in Paris, zu der etwa 150.000 Menschen gekommen waren, endete Montagnacht auf Kreuzberger Weise: Auf dem „Platz des Widerstandes“ am Pont d'Alma, gleich unterm Eiffelturm, lieferten sich etwa 1.500 Jugendliche eine Intifada mit den Spezialeinheiten der Polizei. Entgegen Presseberichten beteiligten sich neben Vorstadt-Kids aller Schattierungen auch wohlerzogene Oberschüler aus dem 16. Arrondissement und einige Skins an dem Tumult. Nachdem einige Jugendbanden aus der nördlichen Banlieue sich in einem Kleidergeschäft in Montparnasse bedient hatten, hatte der Polizeipräfekt die Sperrung der Seine-Brücken angeordnet, um die eleganten Champs- Elysées (und den Präsidentenpalast) zu schützen. Damit war der Demonstrationszug blockiert. Bilanz: 30 demolierte Autos, ein ausgebranntes Metro-Häuschen, diverse geplünderte Geschäfte und ein schwerverletzter Demonstrant — aber der war schon vorher von der Bastille-Säule heruntergefallen. Gestern mittag waren noch zehn Demonstranten und vier Polizisten in stationärer Behandlung, 83 Jugendliche in Polizeigewahrsam. „Es ist offenbar inzwischen unmöglich zu demonstrieren, ohne daß es zu Randale kommt“, meint eine Schülerin aus Gagny. Hinter ihr, an der Wand der bulgarischen Botschaft ein Graffiti: „Wir kommen alle aus Vaulx-en-Velin“. Dort war es kürzlich zu Ghettoaufständen gekommen. Die Wirklichkeit hat die Schülerbewegung eingeholt. Was nun?

Die beiden Fraktionen der Schülerbewegung einigten sich darauf, am nächsten Freitag wieder zu demonstrieren. Die „casseurs“ vom Pont d'Alma hätten nichts mit der Bewegung zu tun. Erziehungsminister Lionel Jospin hat angeboten, über die Plattform der Bewegung zu verhandeln, die ihm am Montag von Vertretern übergeben wurde. Ein „Dringlichkeitsplan“ zur Renovierung von Provinzgymnasien wurde zugesagt, aber noch nicht beziffert. Man spricht von drei Milliarden Francs zusätzlich. In ihrer Plattform verlangen die Schüler unter anderem die Ersetzung von Schulbaracken durch richtige Gebäude, geringere Klassenstärken, mehr Nachhilfestunden und Ausweitung der Schülermitverwaltung. smo