: Umschichten und Verschieben
■ Bundesfinanzminister Waigel informiert Koalitionsspitze über die Eckwerte für den Haushalt 91
Bonn (taz/ap) — Um die unerwartet hohen Kosten der Einheit im Gebiet der ehemaligen DDR zu decken, plant Bundesfinanzminister Theo Waigel Umschichtungen im Bundeshaushalt und bei den Sozialversicherungen. Gestern informierte Waigel die Spitzen von Union und FDP über die Eckwerte für den Haushalt 1991, die am Mittwoch vom Bundeskabinett verabschiedet werden sollen.
Teilnehmer des Gesprächs berichteten, daß die Umschichtungen im Bundeshaushalt zugunsten der neuen Bundesländer rund 35 Milliarden Mark betragen sollen. Zudem sollen die Verteidigungsausgaben gekürzt werden. Bereits im kommenden Jahr will Waigel mit dem Abbau der Berlin- und Zonenrandförderung beginnen und ihn früher als in der ursprünglich geplanten Siebenjahresfrist beenden.
Die bislang in der ehemaligen DDR gezahlten Subventionen im Verkehrs- und Energiebereich und im Wohnungsbau sollen im nächsten Jahr gekürzt werden. Zudem sollen die staatlichen Einnahmen durch weitere Privatisierungen bundeseigener Unternehmen in Westdeutschland verbessert und bislang staatliche Investitionen im Verkehrs-, Telekommunikations- und Umweltbereich Privatunternehmen überlassen werden. Schließlich will Waigel offenbar auch die westdeutschen Bundesländer stärker als bisher zur Finanzierung der Kosten der Einheit heranziehen. In dem Koalitionsgespräch nannte er deren bisherige Beiträge unzureichend.
Der FDP-Fraktionsvorsitzende Wolfgang Mischnick, der zusammen mit Parteichef Otto Graf Lambsdorff für die Freien Demokraten an dem Koalitonsgespräch teilnahm, bestätigte, daß in der Runde auch über eine Senkung der Beiträge zur Rentenversicherung und Anhebung der Beiträge zur Arbeitslosenversicherung gesprochen worden ist. Für die FDP sei wichtig, daß sich an den Sozialversicherungsbeiträgen für Arbeitgeber und Arbeitnehmer insgesamt nichts ändere, sagte Mischnick. Angesichts eines Rentenpolsters, das weit höher sei als die nötigen Rücklagen, müsse aber geprüft werden, ob das Defizit in der Arbeitslosenversicherung durch eine Verschiebung von Beiträgen ausgeglichen werden könne. In der CDU- Fraktion hieß es allerdings, sie wolle die Umschichtung bei den Sozialversicherungen nicht mitmachen.
Mit Blick auf die gesamtstaatliche Neuverschuldung im kommenden Jahr erinnerte Lambsdorff daran, daß Waigel und er in früheren Äußerungen eine Neuverschuldung der öffentlichen Hände von fünf Prozent des Bruttosozialproduktes als Grenze bezeichnet hätten. Dies wären 150 Milliarden Mark. Bei „aufwendigen und prestigesüchtigen Forschungsobjekten“ seien noch weitere Einsparungen möglich.
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