: Straßen made in Arsten
■ Dorf bei Bremen als Steinsetzer-Zentrum / Ein Denkmal und viel oral history
hier bitte
die fleißigen
Handwerker
Die Straße als Ort der Öffentlichkeit, als Schauplatz lebensbedrohender Unfälle womöglich, die Straße als ökologisches Problem selbst oder als Metapher: Sie ist Gegenstand von und oft auch Boden für Diskussionen — doch wer (außer den vital betroffenen MotorradfahrerInnen) kennt die Straße wirklich, ihr Material, ihren Zustand, ihre Geschichte?
In Arsten vor Meybohms Hoff (Arster Heerstraße 30) steht seit einigen Tagen ein Skulpturenensemble des Bremer Bildhauers Eberhard Szejstecki: Auf pflastersteinartige (!) Sockel sind Steinsetzerköpfe gesetzt, Werkzeug und eingeritzte Straßenszenen vervollständigen die Arbeit. „Arster Steinsetzer“ hieß das Thema eines offenen künstlerischen Wettbewerbs, den das Fachreferat „Kunst im öffentlichen Raum“ und die Stiftung „Wohnliche Stadt“ ausgelobt hatten. Das Denkmal erinnert daran, daß zur Geschichte des ehemaligen Dorfes Arsten die „Strotenmoker“ Wesentliches beitrugen. Anlaß, sich mit den Arster Steinsetzern jetzt zu beschäftigen, bot das hun
dertjährige Jubiläum des ersten Zusammenschlusses der Straßenbauer, des Arster Steinsetzervereins von 1888, eines fernen Vorläufers der IG Bau, Steine, Erden.
1884 standen im Bremer Adreßbuch für Arsten immerhin 67 Straßenmacher und vier Meister. Sie bauten und reparierten die Straßen der Stadt. Der norddeutsche Straßenbau hatte seine eigenen Probleme: Steinbrüche waren rar. Die erste bedeutende Chaussee von Wesel nach Bremen, zur Zeit der napoleonischen Besetzung von französischen Ingenieuren geplant, wurde aus Feldfindlingen zusammengesetzt. Bis dahin waren hierzulande eher Erd- und Holzwege bekannt. Mit dem Bau der Chausseen (oder Heerstraßen) begann die große Zeit der Steinsetzer.
Das Setzen der Steine entwickelte sich zu einem hochwertigen Handwerk, das ganz spezifische Fähigkeiten verlangte. Es erforderte neben einem ausgeprägten Augenmaß auch einiges Wissen um eine stabile Straßengründung. Die „Bremer“ hatten weit über die Stadtgrenzen hinaus einen guten Ruf. Auffällig für Fremde war ihre Technik, auf den Knien zu arbeiten (“im Liegen“) und nicht, wie sonst üblich, im Stehen.
Obwohl im Zeitalter der Fußgängerzonen die Pflasterer zu neuem Ruhm kommen, kann man sich heute die Vielfalt der Pflasterungsmöglichkeiten nicht mehr vorstellen. Allenfalls AutofahrerInnen noch geläufig ist das bei Regen unheimlich glitschige Katzenkopfpflaster aus Blaubasalt. Findlingpflasterung findet sich nur noch auf Bauernhöfen. Es gab daneben Spaltsteine, Kopfsteine, Reihensteine, seit den 70ern des letzten Jahrhunderts auch das glattere und „schnellere“ Kleinpflaster in Wild-, Bogen-oder Reihenpflasterung.
Bevorzugtes Material seit der Mitte des letzten Jahrhunderts war Ur- oder Vulkangestein aus dem Harz oder Schweden. Blaubasalt kam aus dem Rheinland. In den Zwanzigern, mit der Zunahme der Motorisierung, erlebte das Handwerk den vorerst letzten Aufschwung: Ganze Innenstädte wurden zugepflastert. Dann kam die „schwarze Gefahr“ für das traditionsreiche Handwerk: die Asphaltstraße, die den Gummireifen besser gewachsen war und auch weniger Lärm machte. Zudem entstand bei der Herstellung von Benzin als Abfallprodukt Bitumen, aus dem auch in Bremen seit 1925 die Straßendecken aufgebaut wurden. Doch Asphalt war nicht der einzige Grund für den Niedergang des Handwerks: Die Arbeitsbedingungen (Arbeitszeit 12-13 Stunden, Einschlämmen oft um 2 oder 3 Uhr früh) gehörten ebenso dazu wie der für Nachwuchs unattraktive harte Körpereinsatz. „Einigkeit macht stark“ schrieben die Gründer des Steinsetzervereins 1888 auf ihre Fahne.
Mit der Methode der oral history sammelte der AK Arster Geschichte(n) die meisten der genannten Details und noch viel mehr, ihm verdanken wir ein wunderschönes, reich illustriertes Buch über die Arster Steinsetzer: „Disse Steen de steiht“. Nicht genug kann man solch eine Bremer Heimatkunde preisen.! Burkhard STRASSmann
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