piwik no script img

Normbeute und Giftpumpen

■ »Bienen-Hummeln-Imkerei« — eine wunderbare Sonderausstellung im Museum für Naturkunde

Erst vorgestern sei er wieder beim Zufüttern von Nektar in den Unterarm gestochen worden, erzählt Dr. Frank Koch, Zoologe in der »Abteilung Hautflügler« im Naturkundemuseum. Das sei kein Wunder, denn der Transport ins Museum habe die Tiere beunruhigt und ihre Verteidigungsbereitschaft erhöht. Normalerweise, so Dr. Koch, seien Hummeln so sanftmütig, daß er z.B. ohne weiteres mit freiem Oberkörper in seinem 29 Grad Celsius warmen Labor arbeiten und forschen könne. Dr. Koch hat die Steinhummeln speziell für die gerade eröffnete Ausstellung gezüchtet: dort summen und surren sie in einem hell erleuchteten Glashaus umher, umkreisen dabei einige Topfpflanzen oder ruhen sich in ihrem einsehbaren, mit etwas Mausefell gepolsterten Nest aus.

»Bienen-Hummeln-Imkerei« heißt die erste Sonderausstellung im Ostberliner Museum für Naturkunde, die ursprünglich noch als ein Projekt im Rahmen des deutsch- deutschen Kulturaustausches geplant war. Kultursenatorin Anke Martiny hielt die Eröffnungsrede zu dieser bemerkenswerten Ausstellung, die die Senatsverwaltung für kulturelle Angelegenheiten zu fünfzig Prozent finanziert hat (die andere Hälfte kam vom Bundesministerium für Innerdeutsche Beziehungen). Die Senatorin wies bei dieser Gelegenheit auf ihre politischen und persönlichen Kontakte nach Australien hin, die sie derzeit aktiviere, damit demnächst das Bärenensemble des Naturkundemuseums um das Skelett und die Dermoplastik eines Koala- Bären bereichert werden könne.

Wer das ehrwürdige Museum, in dessen Hallen ältere Damen in hellblauen Dienstkitteln naturalistische Flußpferde mit aufgerissenen Mäulern und ausgestopftes Wild aus heimischen Wäldern bewachen, noch nicht besucht hat, sollte diese Sonderausstellung vielleicht zum Anlaß nehmen. In einem sonst der Öffentlichkeit verschlossenen Raum (von denen es nach Auskunft der Wissenschaftler noch sehr, sehr viele im Museum gibt) dokumentiert ein ost- westliches Wissenschaftlerteam mit großer Sorgfalt die Geschichte der Imkerei und informiert über Wissenswertes aus der Welt der Wildbienen und Hummeln. Aus Ägypten z.B. wurden original »Bienenwohnungen« (Nilschlammröhren) und die dazugehörigen Werkzeuge importiert. Ergänzend zeigt ein detailreiches Diorama eine Szene mit Nil- Imkern bei der Verrichtung ihrer Arbeit. Ägyptische Bienen sind übrigens für ihre Schönheit berühmt und deswegen bemühten sich Berliner Imker schon im vergangenen Jahrhundert, diese spezielle Art auch bei uns ansässig zu machen. Das mißlang, denn für die ägyptischen Bienen ist es bei uns zu kalt.

Ganz andere Behausungen bieten Imker aus dem Gebiet der ehemaligen DDR ihren Bienenvölkern: es sind die grünen Anhänger voller Schubladen, die man auf Landausflügen oft am Wegesrand sieht. Diese Bienen-Wohnungen (ebenfalls als Miniatur für die Ausstellung nachgebaut) ließen die Imker früher von LPG-Traktoren immer dorthin fahren, wo gerade ein Feld oder eine Wiese blühte. In der kapitalistischen Wirtschaft gestaltet sich das Umziehen der Insektenvölker leider sehr viel problematischer, teurer und komplizierter. Ebenso die Weiterverarbeitung der sogenannten »Normbeute«. Vor der Wende war es nämlich so, daß der VEB BIWIM (Bienen Wirtschaft Meißen) einen Honigfestpreis von 14 Mark pro Kilo zahlte, ganz gleich, ob der jeweilige Imker einen einfachen Rapshonig oder einen edlen Tannenhonig abgeliefert hatte. Heute müssen sich die Imker selbst um die Weiterverarbeitung kümmern, was — wenn man sich die dazu notwendigen Maschinen in den Schaukästen so ansieht — eine ziemlich schwierige Angelegenheit ist.

Die Ökologie bestimmt das Konzept in einem Teil der Ausstellung, der sich den Wildbienen und Hummeln widmet. Vor allem wegen des Einsatzes von Pestiziden sind viele unserer einheimischen Bienen, u.a. die »Honigbiene« mit ihrer Short-artigen Beinbehaarung, heute vom Aussterben bedroht. Ein toter Igel und eine tote Meise mahnen, vor einem blitzend-roten Spritzgerät liegend, an die Opfer der noch kleineren Tiere. Am Beispiel des niederländischen Gartenbaus demonstriert das Museum eine ökologisch und volkswirtschaftlich sinnvolle Alternative zum Pestizid-Einsatz: dort nämlich werden von vielen Betrieben Hummelvölker gemietet, die z.B. die riesigen Unter-Glas-Tomatenfelder bestäuben. Ein Hummelvolk kostet von Januar bis Oktober pro Hektar 20.000 DM Miete. Wenn keine Insekten da sind, müssen die Gärtner die Bestäubung dilettantisch imitieren, indem sie die Pflanzen »rütteln«. Hummeln arbeiten also für's gleiche Geld viel besser als Menschen — und verhindern oft allein durch ihre Anwesenheit chemische Pflanzenschutzmaßnahmen, so Dr. Koch. Er selbst arbeitet zur Zeit am Aufbau eines Zuchtlabors in Vockerode, das demnächst Hummelvölker an Gärtner in der ehemaligen DDR vermieten will.

Leichter Grusel überkommt einen beim Betrachten der elektronenmikroskopischen Aufnahmen zum Thema »Bienenstich«. Was genau passiert, wenn die Stacheln in die menschliche Haut eines »Störenfrieds« eindringen, erläutert ein Text, der einem keine Gemeinheit vorenthält. Besonders raffiniert ausgestattet sind Honigbienen, die es in bestimmten Situationen darauf absehen, »möglichst viel schmerzhaftes Gift in den Angreifer zu pumpen«. Weil die Wissenschaftler aber noch viel mehr Interessantes über die Hummeln und Bienen zu erzählen wissen, empfiehlt es sich unbedingt, an einer Führung teilzunehmen. Dazu muß man sich vorher anmelden: wahlweise bei Frau Dr. Irmgard Jung-Hoffmann (Spezialistin für Bienen und Imkerei), Tel.: (W-Bln.) 3425030 oder bei Herrn Fox (Spezialist für Hummeln und Wildbienen) (O-Bln.) 289720. Dorothee Wenner

Museum für Naturkunde, Invalidenstraße 43, Berlin 1040, Tel.: (Ost-Berlin) 289720, Öffnungszeiten: Di.-So.: 9.30-17 Uhr, Eintritt: 1 DM (erm. 0,25 DM), Ausstellungsdauer bis zum 15.2.'91.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen