: Einigung über konventionelle Waffen
Der VKSE-Vertrag schreibt vor, daß die Staaten des Warschauer Pakts ihre Waffensysteme um 39 Prozent reduzieren, die NATO muß nur um vier Prozent abrüsten/Am Montag wird unterzeichnet ■ Aus Wien Andreas Zumach
In letzter Minute haben die Delegationen der 22 Mitgliedstaaten von NATO und Warschauer Vertrag (WVO) am Donnerstag in Wien die verbliebenen Hürden auf dem Weg zu einem Vertrag über die Reduzierung konventioneller Streitkräfte in Europa (VKSE) überwunden. Am Sonntag morgen soll das Abkommen in Wien von den Delegationsleitern paraphiert und am Montagmorgen in Paris zum Auftakt des KSZE-Gipfels von den Staats-und Regierungschefs der 22 Staaten unterzeichnet werden. Bereits eine Woche später beginnen in Wien Folgeverhandlungen für ein zweites VKSE-Abkommen.
Laut Vertrag dürfen beide Seiten zum Ende des Jahres 1993 im Gebiet zwischen Atlantik und Ural jeweils nur noch über 20.000 Panzer und 30.000 bewaffnete Infanteriefahrzeuge verfügen, ferner über 20.000 Artilleriesysteme, 6.800 Kampfflugzeuge und 2.000 Kampfhubschrauber. Um diese Obergrenzen zu erreichen, muß die NATO ihren heutigen Bestand an diesen fünf Waffensystemen lediglich um vier Prozent reduzieren. Bei Kampfhubschraubern und Artilleriesystemen liegt sie schon heute unterhalb der künftigen Obergrenzen. Auf WVO- Seite ist eine Reduzierung um 39 Prozent notwendig, der sowjetische Anteil daran beträgt 65 Prozent.
Insgesamt sollen die heute im Vertragsgebiet in diesen fünf Kategorien existierenden 209.000 Waffen um ein Viertel reduziert werden. Kaum betroffen von dem Abkommen sind die für künftige Einsätze europäischer Soldaten außerhalb des Kontinents wegen ihrer Flexibilität besonders wichtigen Luftstreitkräfte. Völlig ausgespart blieben auf westlichen Wunsch die derzeit in europäischen Gewässern stationierten Seestreitkräfte — für künftige weltweite Einsätze ebenfalls von großer Bedeutung. Das Gros der Reduzierungen soll durch Verschrottung der Waffen erreicht werden. Beiden Seiten dürfen jedoch jeweils bis zu 750 Panzer, 3.000 Infanteriefahrzeuge, viele militärische Trainingsflugzeuge sowie die meisten Kampfhubschrauber für zivile Zwecke umrüsten.
Bis zuletzt umstritten waren Details der Verifikationsverfahren. Beide Seiten einigten sich schließlich auf eine gemeinsame Definition zu inspizierender Objekte sowie auf die Anzahl der in einem bestimmten Zeitraum erlaubten Vor-Ort-Kontrollen. Auch die Sorgen der Türkei vor einer zu starken Massierung sowjetischer Waffen an der gemeinsamen Grenze beider Länder, die zu Differenzen beim Treffen der Außenminister Baker und Schewardnadse Ende letzter Woche geführt hatten, konnten gestern vor allem durch eine Veränderung der regionalen Aufteilung des gesamten Vertragsgebietes ausgeräumt werden.
Verglichen mit dem Stand von Mitte 1988 wird die Sowjetunion ihre Truppen in Europa westlich des Urals um zwei Drittel reduziert haben. Als Folge des VKSE-Abkommens und in den letzten Jahren vorgenommener einseitiger Abrüstung sowie der bilateralen Rückzugsverträge mit Ungarn, der CSFR und — demnächst — Polen reduziert sich die Zahl ihrer Divisionen von 138 auf 48, die der Panzer von 40.400 auf 13.150. Diese Verbände und Waffen werden dann ausschließlich in der UdSSR stehen. Das ist die größte Demobilisierung in Friedenszeiten, die Europa je erlebt hat. Die numerische Überlegenheit der WVO in Europa, die jahrzehntelang als Beleg für die Behauptung von der östlichen Angriffsfähigkeit und —absicht diente, wird damit beseitigt sein.
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