Töpfer droht mit Weisungshammer

■ Im Streit um den Berliner Hahn-Meitner-Reaktor steht offenbar eine Bundesweisung bevor

Berlin (taz) — Während die AL gestern über den häuserkampfbedingten Ausstieg aus der rot-grünen Koalition debattierte, spitzte sich eine andere Altlast des brüchigen Berliner Regierungsbündnisses erneut zu: Der Bonner Reaktorminister Töpfer (CDU) will Umweltsenatorin Michaele Schreyer (AL-nah) offenbar noch vor den Wahlen förmlich anweisen, die Betriebsgenehmigung für den umstrittenen Forschungsreaktor am Hahn-Meitner-Institut (HMI) in Berlin-Wannsee zu erteilen. Schreyer hat dies wegen der ungeklärten Entsorgung der abgebrannten Brennelemente aus dem Meiler bisher abgelehnt — auch gegen den Widerstand des sozialdemokratischen Koalitionspartners.

Nach einem geharnischten Briefwechsel zwischen Bonn und Berlin, in dem sich die Kontrahenten gegenseitig vorwarfen, einer „sachlichen Auseinandersetzung“ (Schreyer an Töpfer) auszuweichen und „keinerlei neue Gesichtspunkte“ (Töpfer an Schreyer) in die Diskussion einzubringen, zitierte der Bonner Minister Frau Schreyer am Mittwoch per Fax „persönlich“ in die Noch-Hauptstadt. Das „bundesaufsichtliche Gespräch“ soll am kommenden Dienstag stattfinden. Wenn dieser letzte Versuch ohne Ergebnis bleibe, sagte gestern Töpfers Sprecherin Marlene Mühe der taz, werde „umgehend über eine Bundesweisung zur Inbetriebnahme des Hahn-Meitner- Reaktors“ entschieden. Mühe wollte „nicht ausschließen“, daß Töpfer den Weisungshammer noch vor der Bundestagswahl schwingt.

Einer „bundesaufsichtlichen Bitte“ gleichen Inhalts ist Schreyer trotz der ultimativen Form dieser Bitte nicht nachgekommen. Im Hause Schreyer steht man auf dem Standpunkt, Töpfer habe sich mit der Position der allein zuständigen Umweltbehörde nicht genügend auseinandergesetzt. In der Tat hatte Töpfer bisher im wesentlichen mit Walter Mompers Senatsverwaltung kommuniziert. Dort lief bereits Ende August eine vierseitige Stellungnahme ein, in der der Minister Schreyers Bedenken in der Entsorgungsfrage zurückwies und erklärte, das HMI habe „die Entsorgungsvorsorge in Übereinstimmung mit der langjährigen Verwaltungspraxis nachgewiesen“. Schreyer verlangt, daß sich Töpfer entsprechend einem Spruch des Bundesverfassungsgerichts verhalte: Danach hat der Bund vor einer Weisung „dem Land Gelegenheit zur Stellungnahme [zu] geben und dessen Standpunkt [zu] erwägen“. Schreyer ist nach wie vor der Auffassung, daß die vom HMI als Entsorgungsnachweis angebotene Zwischenlagerung und eventuelle Aufarbeitung in der schottischen Wiederaufarbeitungsanlage Dounreay nicht ausreicht. Dagegen sprechen zwei von den SPD-Kontrahenten in der Senatskanzlei in Auftrag gegebene Gutachten des früheren OVG-Präsidenten Grundei und des Staatsrechtlers Wahl. Beide Studien wurden Schreyer bis gestern nicht zugestellt.

Die Senatorin ist aber offenbar entschlossen, den Gesprächstermin in Bonn am kommenden Dienstag wahrzunehmen — wenn sie dann noch Senatorin ist. „Manche Probleme“, meinte gestern Töpfers Sprecherin Mühe, „erledigen sich ja auch, wenn bestimmte Personen nicht mehr da sind.“ Gerd Rosenkranz