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Klageweg für Junkies

■ Hotelzimmer für substituiertes Paar

„Bremer Senatorin im Sozialrausch“ stichelte Bild-Bremen gestern auf seiner ersten Regionalseite. Sabine Uhl habe ein drogenabhängiges Paar in das Mercure-Hotel einquartiert. Die Zeitung schilderte das Leben der beiden in den süßesten Farben: „Farb-TV, Minibar, Telefon. Zwei breite Betten, edle Vorhänge, gedämpftes Licht: Ein Kofort-Zimmer des Bremer Hotels Mercure-Columbus“. Dazu reichte die Zeitung ihren LeserInnen einen Ausriß aus dem Hoteleigenen Prospekt.

Hintergrund der Geschichte: Vom 8. bis 15. November lebte das substituierte Paar D. mit ihrem neugeborenen Kind in einem Doppelzimmer des Hotels am Bahnhofsplatz. Die beiden standen wenige Wochen nach der Geburt des Kindes auf der Straße.

Das Hotelzimmer, das pro Nacht 160 Mark gekostet hat (Bild verteuerte gleich auf 330 Mark) war nach Auskunft der Behörde die allerletzte Rettung für die beiden, „die mit ihrem Kind ja schlecht im Bunker bleiben können (Sozialsprecherin Andrea Frenzel-Heiduk). Eine einstweilige Anordnung des Verwaltungsgerichtes verpflichtete die Sozialbehörde, die Unterkunft zu bezahlen.

Als die Hoteldirektion von ihren neuen Gästen erfuhr, war sie „komplett entsetzt“. Die Sozialbehörde quartiert nämlich für gewöhnlich nur ihre „normalen“ Gäste in dem Hotel ein. Hoteldirektor Jansen: „Wir bekamen die Zusage, daß die beiden frühmorgens aus dem Hotel zu einer Therapieeinrichtung gehen und erst spät zurückkehren würden.“ Unter der Bedingung, das die beiden nicht in der Restauration erscheinen, „haben wir beide Augen zugedrückt“.

Nach Darstellung der Hoteldirektion sind die beiden dann aus dem Hotel geflogen, nachdem die Polizei erschienen war und das Zimmer durchsucht hatte. Schwierigkeiten mit Gästen habe es nicht gegeben, die beiden hätten sich im Sinne der Absprache unauffällig verhalten.

Das Paar sucht derzeit nach einem Platz in einer Therapieeinrichtung. In einem Betreuten Wohnprojekt kommen die beiden aber derzeit nicht unter, weil sie unterschiedliche Therapievorraussetzungen mitbringen.

Die Aufmachung in der Bild- Zeitung stieß bei der Behörde auf Unverständnis. Unklar blieb gestern, unter welchen Konditionen das Hotelzimmar angemietet worden war. Die Mitarbeiterin des Sozialamtes, die im Namen der Behörde das Zimmer vor Bezug in Augenschein genommen hatte, konnte nicht identifiziert werden. mad

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