: Gorbatschow: „Wir brauchen Geduld“
■ USA und Sowjetunion zwar prinzipiell bei Einschätzung der Golfkrise einig, doch Moskau will mit UN-Resolution für „Militäroption“ noch warten/ Bush zu Besuch bei US-Truppen in Saudi-Arabien
Paris/Bagdad (ap/dpa) — Ein neuer Versuch der USA, die Sowjetunion in der Frage eines militärischen Vorgehens gegen den Irak vollständig auf ihre Seite zu bringen, ist am Dienstag abend offenbar gescheitert. US-Außenminister Baker erörterte am Rande der KSZE-Gipfelkonferenz in Paris mit seinem sowjetischen Amtskollegen Schewardnadse nochmals die US-Forderung nach einer neuen Resolution des UN- Sicherheitsrats, die ein militärisches Vorgehen erlauben soll, um den Irak zum Rückzug zu zwingen.
Schewardnadse äußerte sich danach vor Journalisten zurückhaltend und sprach sich lediglich für eine neue Prüfung der Lage aus. Er sagte: „Wir müssen unsere Kollegen und Partner im Sicherheitsrat konsultieren.“ Der Minister fuhr fort, der Sicherheitsrat solle eine Bestandsaufnahme und eine Beurteilung seiner bisherigen Schritte vornehmen. Dann müsse das Gremium, falls nötig, neue Resolutionen verabschieden mit dem Zweck, die Verwirklichung der bisherigen Resolutionen herbeizuführen.
Bereits vor dem Ende des Gesprächs hatte der Sprecher des Weißen Hauses, Fitzwater, erklärt, es sei „sehr unwahrscheinlich“, daß man vor der Nahostreise von Präsident Bush eine Zustimmung zu einer weiteren Erhöhung des Drucks auf den Irak herbeiführen könne. Am Montag abend hatte der sowjetische Präsident Michail Gorbatschow nach einem Gespräch mit Bush erklärt: „Wir alle brauchen Geduld.“
Bush versicherte gestern beim KSZE-Gipfel, die USA und die Sowjetunion seien sich in dem Streben einig, den Irak zum Abzug aus Kuwait zu zwingen. Differenzen zwischen ihm und Gorbatschow gebe es nicht. Vor Journalisten in Paris sagte er: „Wir sind mit der Sowjetunion auf derselben Wellenlänge.“ Auch zwischen Washington und seinen Verbündeten bestehe Übereinstimmung darüber, daß der Irak bedingungslos aus Kuwait abziehen müsse.
Gorbatschow hatte am Dienstag abend deutlich gemacht, daß sich die UdSSR einer neuen Resolution des UN-Sicherheitsrates nicht auf jeden Fall in den Weg stellen wird. Im französischen Fernsehen sagte er, der Rat werde zusammentreten, um die Lage zu analysieren, und dann eine „wohlüberlegte Resolution“ beschließen. Die „brutale Annexion“ eines Landes durch ein anderes dürfe „nicht ungestraft“ erfolgen. Rund 48 Stunden vor dem Besuch von Baker im Jemen hat am Dienstag der irakische Außenminister Aziz Staatschef Saleh in Sanaa eine Botschaft Saddam Husseins überbracht. Der Jemen, das einzige arabische Mitgliedsland des Weltsicherheitsrats, übernimmt im Dezember den Vorsitz des Gremiums. Die Jemeniten haben in der Vergangenheit Sympathie für den Irak bekundet.
Verlautbarungen zufolge wird Baker möglicherweise nach Oman weiterreisen, um dort mit Vertretern der malaysischen Regierung zu sprechen. Malaysia gehört ebenfalls zu den fünfzehn derzeitigen Ratsmitgliedern. Baker hatte schon vor dem Pariser Gipfel in verschiedenen Konsultationen mit Vertretern von Mitgliedsländern Unterstützung für die amerikanische Haltung gesucht.
Bush wollte nach Abschluß des KSZE-Gipfels am Mittwoch nach Saudi-Arabien reisen, den Donnerstag — den amerikanischen „Thanksgiving Day“ — bei den dort stationierten US-Truppen verbringen und am Abend nach Kairo reisen.
Die USA wollen ihre Verbündeten um weitere finanzielle Unterstützung für den Einsatz der multinationalen Truppen am Persischen Golf bitten. Wie die 'Los Angeles Times‘ am Mittwoch unter Berufung auf Washingtoner Regierungskreise berichtete, soll bei den in der internationalen Koalition gegen den Irak zusammengeschlossenen Ländern Anfang kommenden Jahres um Hilfe für die anfallenden Ausgaben nachgefragt werden, die zur Aufrechterhaltung der Einsatzfähigkeit am Golf nötig sind. Dann werde Washington auch über genauere Zahlen verfügen, um die monatlichen Aufwendungen zu bestimmen.
Von der Möglichkeit, Geld für den Einsatz der multinationalen Truppen am Golf aufzutreiben, werde auch abhängen, wieviel Zeit dem Wirtschaftsembargo der Vereinten Nationen noch eingeräumt werden könne, um Bagdad auf diesem Wege in die Knie zu zwingen, schreibt das Blatt weiter. Den Hauptanteil der Unterstützung werden den Angaben zufolge vermutlich Saudi- Arabien, Kuwait und Japan tragen. Im September hatte Saudi-Arabien bereits zehn Milliarden Dollar zugesagt, Kuwait brachte fünf Milliarden, Japan vier und Deutschland über zwei Milliarden Dollar auf.
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