„Vom Kopf auf die Füße“

■ Entlassung von Wilhelmi und Rodewig gefordert / Beitragsboykott

“Es ist der Punkt gekommen, an dem wir sagen: Wir lassen nicht länger Schindluder mit unserer Organisation treiben.“ Zornige Worte in einem Antrag der IG- Medien, Fachgruppe Journalismus, die Donnerstag in der „Wüsten Stätte“ tagte, um sich zum wiederholten Mal mit der desolaten Lage in ihrer Organisation zu befassen: „Die Verhältnisse im Bezirk Bremen stehen derzeit auf dem Kopf — es wird Zeit, daß sie wieder auf die Fuße gestellt werden.“ Die Mitglieder seien nicht für den Apparat da, sondern umgekehrt.

Um dem Bremer Bezirksverband wieder auf die Füße zu helfen, müssen nach Meinung der Mitgliedsmehrheit aber erstmal zwei Köpfe rollen: der von Dieter Wilhelmi, seines Zeichens Bezirkssekretär und Bezirksvorsitzender, und der von Landesbezirkssekretär Günter Rodewig. Damit den Worten auch Taten folgen, beschloß die Mehrheit der Fachgruppe, den Gewerkschaftsbeitrag ab 1.1.91 auf ein Sperrkonto zu überwiesen. Der IG-Medien Ortsverein, der am 9.12. tagt, wird aufgefordert, sich dem Beitragsboykott anzuschließen.

Bereits am 29. September hatte die Mitgliederversammlung der IG-Medien die Absetzung Wilhelmis „wegen gewerkschaftsschädigendem Verhalten und Unfähigkeit im Amt“ gefordert. Rodewig verfaßte dazu eine von den GewerkschaftlerInnen als „demagogisch“ bezeichnete Stellungnahme, deren Presseveröffentlichung er über den Verleger der Bremer Tageszeitungen AG durchzusetzen versuchte. Der Funktionär suchte aber nicht nur im Unternehmerlager Schützenhilfe für den angeschlagenen Wilhelmi, sondern auch in der SPD- Spitze. Bürgerschaftspräsident Dr. Dieter Klink erhielt am 7. Novemver ein Schreiben von Rodewig, in dem dieser darauf hinweist, die „veröffentlichte Pressemeinung“ gegen das Bürgerschaftsmitglied Wilhelmi werfe nicht nur ein schlechtes Licht auf die IG-Medien, sondern könne auch der SPD-Bürgerschaftsfraktion Schaden zufügen. Ein ähnlich lautendes Schreiben soll auch Bürgermeister Wedemeier zugegangen sein.

Fünf IG-Medien Mitglieder reichte das. Sie haben ihren Austritt erklärt. Wilhelmi schickte das übliche hektographierte Schreiben „... und danken für deine langjährige Mitarbeit.“ Im Übrigen sei der Beitrag sei noch bis Ende des Jahres weiterzuzahlen. Weitere KollegInnen haben ihre Austrittserklärung schon in der Tasche, wollen aber noch die Wirkung der letzten Beschlüsse abwarten.

Als Ulbricht 1956 auf das protestierende DDR-Volk schießen ließ, erteilte Bertold Brecht der Regierung den Rat, sich doch ein anderes Volk zu wählen. Wenn Wilhelmi und Rodewig sich ein anderes Volk wählen wollen, müssen sie sich beeilen, sonst ist keins mehr da. asp