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Die Schlammschlacht der Kleinen

■ Drei weitere Kandidaten konkurrieren mit Mazowiecki, Walesa und Tyminski

Die Kandidaten gestalten ihre Sendungen auf eigene Verantwortung“, erklärt eine Sprecherin jeden Abend, wenn die Wahlsendungen der insgesamt sechs Kandidaten für die Präsidentschaftswahlen zu Ende gehen. Recht hat sie — doch mit der Verantwortung ist das so eine Sache. Besonders die Beiträge der den Umfragen nach abgeschlagenen Kandidaten strotzen geradezu vor Demagogie — je näher der Wahltermin, desto haarsträubender die Beiträge.

Da ist beispielsweise Leszek Moczulski, Führer der nationalistischen „Konföderation Unabhängiges Polen“ (KPN). Er nahm ein Interview des sowjetischen Botschafters zum Anlaß, atemlos und zitternd vor Erregung eine Haßtirade in den Äther zu brüllen — der Botschafter hatte für Polens Westgebiete den Ausdruck „ehemals deutsche Gebiete“ verwendet.

Je näher die Wahl kommt, desto mehr wird der Wahlkampf zu einer Schlammschlacht. Roman Bartoszcze etwa, der Chef der Bauernpartei, läßt nun seine Rede von vor einem halben Jahr in seinem Wahlprogramm wiederholen, in der er der Regierung Mazowiecki unterstellt hatte, sie habe die Aktenvernichtung durch Beamte des Innenministeriums deshalb nicht rechtzeitig unterbunden, weil damit Solidarność-Aktivisten geschützt werden sollten, die sonst als Geheimdienstspitzel enttarnt worden wären.

Der einzige der abgeschlagenen Kandidaten, der bis jetzt zu solchen Kniffen noch keine Zuflucht genommen hat, ist ausgerechnet der parteilose Abgeordnete Wlodzimierz Cimoszewicz, der für die aus der PVAP hervorgegangenen Sozialdemokraten antritt.

Da er sich nicht nur für Arbeitslose, Rentner und sozial Schwache stark macht, sondern auch noch die großen, ineffektiven und für ihre Mißwirtschaft berüchtigten Genossenschaften verteidigt, sind seine Wahlchancen natürlich denkbar gering. Mit seinen Mitbewerbern gemein hat er allerdings deren wirtschaftspolitischen Konzepte: ein Gemisch aus Wunschdenken, leeren Floskeln und Widersprüchen.

Moczulski möchte eine starke Berufs- und Freiwilligenarmee, die Löhne, Gehälter und Renten mindestens verdoppeln, aber zugleich die Steuern senken. Mit Bartoszcze hat er auch die Ansicht gemein, die Bauern müßten Subventionen und billige Kredite bekommen. Zusätzlich sollen deren Produkte durch Einfuhrverbote geschützt werden, zugleich aber der Export polnischer Agrarerzeugnisse gefördert werden. Bartoszcze ist außerdem noch für eine „wirkliche Privatisierung“, zugleich aber gegen einen „Ausverkauf unserer besten Betriebe“, schon gar nicht an Ausländer — die aber trotzdem dazu angehalten werden sollen, in Polen zu investieren.

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